Kein Neuanfang
Personalie
Die Parlamentsabstimmung darüber, wer Shinzo Abe als japanischer Regierungschef nachfolgt, findet zwar erst am 16. September statt, einen klaren Favoriten gibt es aber bereits: Yoshihide Suga hat sich in dieser Woche die Unterstützung der größten Fraktion innerhalb der regierenden Liberaldemokratischen Partei gesichert. Damit dürften ihm sowohl der Vorsitz der LDP, die am 14. September gewählt wird, als auch das Amt des Ministerpräsidenten sicher sein.
Das Wahlverfahren für ihren Chefposten hat in der LDP Kritik hervorgerufen. Wegen der Corona-Pandemie und wegen des Zeitdrucks nach dem Rücktritt Abes aus gesundheitlichen Gründen dürfen nur die Parlamentsabgeordneten der Partei sowie je drei Vertreter der 47 Regionalverbände abstimmen. Eine Petition gegen diese Verfahrensweise hat die Parteiführung ignoriert.
Aber auch die Person Sugo ist nicht unumstritten. Denn mit dem 71-Jährigen ist kein Neuanfang zu erwarten. Als Sekretär des Kabinettschefs war er quasi Sprecher der Regierung Abe. Das LDP-Establishment will ihn vor allem, weil es keine Veränderung will.
Der Sohn eines Landwirts musste für seinen Aufstieg hart arbeiten. Sein Jurastudium finanzierte er sich, indem er in einer Kartonfabrik jobbte. Der Einstieg in die Politik in den 1980er Jahren als Stadtrat von Yokohama gelang ihm, indem er von Tür zu Tür zog. Als einer der Ersten etablierte er Wahlkampfauftritte in der Menge an Bahnhöfen.
Suga verfolgt die gleichen Ziele wie Abe: Lösungen finden für die überalterte Gesellschaft, die Rückholung entführter Japaner aus Nordkorea, die Änderung der pazifistischen Verfassung, die es Japan nach dem Zweiten Weltkrieg verbietet, eine eigene Armee zu unterhalten. Suga bekennt sich zu Abes Wirtschaftspolitik und zum Bündnis mit den USA. »Ich bin entschlossen, die Politik zu übernehmen und voranzubringen, der sich Präsident Abe gewidmet hat«, sagte Suga am Mittwoch. Dass Abe und seine Regierung in Umfragen zuletzt im Keller steckten, ficht ihn dabei nicht an. Alexander Isele
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