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»Brandgefährlicher« Freihandel

Das Abkommen mit dem südamerikanischen Staatenbündnis Mercosur ist in der Europäischen Union derzeit nicht durchsetzbar

Als »Signal für freien, regelbasierten Handel und internationale Zusammenarbeit« bezeichnete das Bundesaußenministerium vor gut einem Jahr die politische Einigung über ein Abkommen zwischen der EU und dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur. »Mit Inkrafttreten des angestrebten Abkommens kann die größte Freihandelszone der Welt mit einer Bevölkerung von rund 780 Millionen Menschen entstehen.«

Die Jubelstimmung löst sich mittlerweile aber quasi in Rauch auf. Als letzte in einer Reihe europäischer Staats- und Regierungschefs hat sich vor wenigen Tagen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ablehnend geäußert: Unter den derzeitigen Umständen könne sie sich nicht vorstellen, dass eine Unterzeichnung ein gutes Signal sei, sagte sie bei einer CDU-Klausurtagung. Sie spielte damit auf die Entwaldung in Amazonien an - der rechte brasilianische Präsident Jair Bolsonaro setzt bei der Wirtschaftsentwicklung auf eine massive Ausweitung der Agrarflächen. Es liegt auf der Hand, dass ein erleichterter internationaler Handel dies noch befördern könnte.

Neben Brasilien gehören dem Mercosur auch Argentinien, Paraguay und Uruguay an; fünf weitere Staaten sind assoziierte Mitglieder. In Lateinamerika wird auf eine rasche Unterzeichnung gedrängt; lediglich die argentinische Linksregierung, die den Schutz der heimischen Märkte vor die Exportankurbelung stellt, bremst etwas. Das Abkommen mit der EU sieht aktuell den schrittweisen Abbau von 90 Prozent der zwischen beiden Wirtschaftsräumen bestehenden Zölle sowie höhere Kontingente beim Agrarhandel vor. Allein europäische Unternehmen sollen dadurch jährlich rund vier Milliarden Euro an Zollzahlungen einsparen. Kein Wunder also, dass der exportlastige Bundesverband der Deutschen Industrie fordert, die derzeitige deutsche EU-Ratspräsidentschaft solle das Freihandelsabkommen rasch zur Unterzeichnung bringen.

Doch es gibt es weit mehr kritische Stimmen in der EU und auch in Deutschand: Umweltverbände weisen seit langem auf Nachteile für Umwelt- und Klimaschutz hin. Zwar gibt es im Text des Abkommens im Unterschied zu früheren Handelsverträgen ein längeres Kapitel zum Thema Nachhaltigkeit samt einem Bekenntnis zu den Zielen des Pariser Klimavertrags, allerdings sieht es keinen Sanktionsmechanismus wie etwa bei den Zollfragen vor. Der BUND etwa spricht von einem »Brandbeschleuniger«, der die Abholzung für Sojaplantagen und Rinderweiden fördere. Menschrechtsgruppen weisen auf die Vertreibung von Indigenen und Kleinbauern hin. Auch aus dem Agrarbereich kommt Kritik. Ausnahmsweise sind sich Lobbyisten des Status quo in der hiesigen Landwirtschaft und die Initiativen für eine Agrarwende mal einig: Das Abkommen bringe unfaire Konkurrenz durch südamerikanische Agrarkonzerne und gefährde Umweltziele in der hiesigen Landwirtschaft. Das wurde auch bei den Protesten am Rande des Treffens der EU-Agrarminister vergangene Woche in Koblenz deutlich.

In der Politikerrunde werden die Befürchtungen durchaus geteilt: »Da sind wir Agrarminister sehr, sehr skeptisch«, sagte etwa die deutsche Ressortchefin Julia Klöckner. Wenn in Brasilien Regenwald gerodet werde, um möglichst schnell an Ackerland zu kommen und mit niedrigen Auflagen Futter- und Lebensmittel zu produzieren, »dann ist das eine Wettbewerbsverzerrung«, so die CDU-Politikerin. Diese Sicht wurde in der Ministerrunde weitgehend geteilt. Ohnehin haben die Parlamente Österreichs, der Niederlande sowie der französischsprachigen Region Belgiens die Ratifizierung bereits abgelehnt. Wenn nicht alle EU-Staaten zustimmen, kann das Abkommen nicht in Kraft treten. Offiziell beerdigt ist es allerdings bisher nicht. Nur wenige EU-Regierungen lehnen es ab. Auch in der deutschen CDU gibt es Stimmen gegen die neue Vorgabe der Kanzlerin, wobei, wie es in außenpolitische Fragen derzeit beliebt ist, die »China-Keule« geschwungen wird. »Wir sollten das Abkommen nicht infrage stellen«, so Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann (CDU). Im Falle eines Scheiterns würden sich die südamerikanischen Länder Peking zuwenden. Deshalb wird laut einem Medienbericht in der EU-Kommission und im CDU-geführten Bundeswirtschaftsministerium erwogen, das Abkommen in zwei Teile aufzuspalten, die dann bereits mit qualifizierter Mehrheit verabschiedet werden könnten.

Auch im Auswärtigen Amt hofft man auf eine Ratifizierung. Die Mercosur-Staaten seien wirtschaftlich und geopolitisch ein wichtiger Partner der EU, so das Argument. Guter Grund für Greenpeace, vergangene Woche den Protest an die Außenwand des SPD-geführten Ministeriums zu projizieren: »EU-Mercosur-Deal: Brandgefährlich für den Amazonas«. Für Samstag hatte Greenpeace dann in 25 Städten zu Aktionen aufgerufen.

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