Der Preis ist heiß

Wer beruft eigentlich die Jury des Medienpreises des Bundestags? Seit letztem Jahr Juror: »Don Alphonso«

  • Thomas Klatt
  • Lesedauer: 5 Min.

Dieser Artikel wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinen Preis erhalten, zumindest nicht den Medienpreis des Deutschen Bundestages. Den gibt es seit 1993, aber noch nie gehörte das »nd« oder ein anderes linkes Medium zu den Preisträgern. Das könnte weniger an vermeintlich mangelnder Qualität als an der Konstruktion des Preises liegen.

»Ich habe direkte Kontakte zu Journalisten, die gar nicht an diesem Wettbewerb des Bundestages teilnehmen, weil sie nicht wollen, dass ihre Beiträge von so einer unausgewogenen Jury begutachtet werden«, beklagt der parteilose Bundestagsabgeordnete Marco Bülow.

Der studierte Journalist hat einen offenen Brief an den Bundestagspräsidenten und die Leitung des wissenschaftlichen Dienstes geschrieben. Die Ernennung der Jurymitglieder sei kein bürokratischer, sondern ein politischer Akt. Ex-SPD-Mitglied Bülow fragt sich, wie die Besetzung dieses Gremiums zustande kommt, das keinesfalls politisch ausgewogen sei und eine starke rechtskonservative Schlagseite habe. »Als Abgeordneter sehe ich dort weder mich noch weite Teile der Bevölkerung repräsentiert«, schreibt Bülow.

Juryvorsitzende ist derzeit die katholische Theologin Claudia Nothelle, ehemals Programmdirektorin beim Rundfunk Berlin-Brandenburg. »Dr. No«, damals ihr senderinterner Spitzname, wollte ihr doch keine Programmreform glücken, um das quotenschwache Fernsehprogramm der Zweiländeranstalt nach vorne zu bringen. Zu den weiteren Jurymitgliedern zählen Journalistinnen und Journalisten von ZDF, BR, der »Wirtschaftswoche«, der »Freien Presse Chemnitz« und der NZZ. Eine bürgerliche Mitte könnte man also sagen. Und kaum verwunderlich kommen auch die Preisträger seit 27 Jahren meistens aus diesem Milieu. In diesem Jahr gewann der BR für ein digitales Projekt über Kurt Eisner, den ersten bayerischen Ministerpräsidenten in der Weimarer Republik. Im Jahr zuvor durfte sich die FAZ mit einer Reportage von der Peene-Werft in Wolgast über 5000 Euro Preisgeld freuen. Noch frühere Preisträger: das ARD-Hauptstadtbüro, »Zeit«-Magazin, »Zeit«-Dossier, »Welt«, »Welt am Sonntag«, MDR, »Magdeburger Volksstimme«, Deutschlandradio Kultur, »Hamburger Abendblatt«, FAZ, ZDF, »Spiegel«, Deutschlandfunk, »Tagesspiegel«, Deutschlandradio, WDR, »Mannheimer Morgen«, Phoenix, FR. Als Erstes wurde 1993 der »Süddeutschen Zeitung« der Parlamentspreis zuerkannt.

»Wenn eine Jury eine starke Schlagseite hat, ist doch auch klar, wer am Ende die Preise bekommt«, beklagt der Medienpolitiker Bülow. Als Abgeordneter fühle er sich für diesen Medienpreis des Bundestages mitverantwortlich. Dessen Verleihung müsse auch für Außenstehende nachvollziehbarer sein, denn: »Was mich im Bundestag wirklich sehr nervt, sind immer diese intransparenten Strukturen. Keiner weiß, wer irgendwie irgendwelche Leute benennt, wer irgendwo was für kriegt. Das geht nicht. Der Bundestag müsste der transparenteste, öffentlichste Raum sein, den wir haben. Denn wir werden von der Bevölkerung bezahlt.«

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat auf den Bülow-Brief bislang nicht reagiert. An früherer Stelle aber sagte er: »Der Medienpreis soll die kritisch wachsame Beziehung zwischen Bundestag und Journalismus fördern.« Auf Nachfrage teilt die Bundestagsverwaltung mit: »Es ist in den zurückliegenden Jahren stets darauf geachtet worden, die Vielfalt der Medien (Zeitung, Hörfunk, Fernsehen sowie regionale und überregionale Medien) widerzuspiegeln und dabei auch neue Entwicklungen im Medienbereich zu berücksichtigen. Politische Ausrichtungen werden hingegen nicht bewertet und spielten bei der Auswahl der Jurymitglieder keine Rolle.«

Das aber kann Marco Bülow gar nicht mehr nachvollziehen. Denn zu den bisherigen Jurymitgliedern gesellte sich zuletzt im Jahr 2019 ein nicht nur für ihn fragwürdiger Kollege hinzu. Gemeint ist Rainer Meyer (»Welt«), der unter dem Pseudonym »Don Alphonso« bloggt. Der rechte »Troll vom Tegernsee«, wie die Taz den Journalisten nennt. Meyer unterhält die Seiten »Die Stützen der Gesellschaft« und »Deus Ex Machina«. Dort wettert er gegen - seiner Meinung nach - »linksgrün versiffte« Medienvertreter. Die von ihm bis hin zur Verächtlichmachung kritisierten Journalisten und vor allem Journalistinnen sind danach nicht nur einem virtuellen Shitstorm ausgesetzt, sondern werden immer wieder auch physisch von Wutbürgern bis hin zu rechtsextremen Schlägern attackiert und bedroht. So die Darstellung und die Kritik nicht nur in der Taz.

Rückendeckung erhält Marco Bülow von den Mediengewerkschaften. »Es ist bedenklich, dass mit Rainer Meyer alias ›Don Alphonso‹ eine so polarisierende Persönlichkeit der Jury des Medienpreises angehört. Gerade vor dem Hintergrund, dass er hoch umstritten ist, sollte der Bundestag Transparenz darüber herstellen, wie die Jurybesetzung zustande kommt. Nur so kann der Verdacht der Mauschelei durch Fakten ausgeräumt werden«, schreibt Hendrik Zörner, Pressesprecher beim Deutschen Journalisten-Verband DJV. Und Cornelia Berger, Geschäftsführerin bei der Deutschen Journalisten-Union Dju in Verdi, ergänzt: »Die Berufung von Rainer Meyer alias ›Don Alphonso‹ in die Jury finden wir höchst fragwürdig und absolut nicht nachvollziehbar. Um sich nicht dem Vorwurf fehlender Unabhängigkeit auszusetzen, müssen die Vergabekriterien und natürlich auch die Kriterien der Juryberufung absolut transparent sein. Das ist beim Medienpreis Parlament nicht der Fall, was nicht akzeptabel ist.«

Und so ist der Preis kaum Garant für guten Parlamentsjournalismus, der den Abgeordneten noch sorgsamer auf die Finger schaut. Oder, um es mit den Worten von Marco Bülow zu sagen: »Lieber gar kein Preis, als so, wie es jetzt ist. Wenn ein Preis, dann nach klaren Kriterien. Eine Firma kann das ja intransparent machen und kann auch die Jury besetzen, wie sie gerne möchte. Aber wenn es ein Bundestag macht, dann müssen die Abgeordneten involviert sein, und dann muss es ein transparentes Verfahren geben.«

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