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Kaum Grippefälle auf der Südhalbkugel

Experten geben noch keine Entwarnung für den Norden - Corona-Hygiene könnte auch bei Influenza eine Rolle spielen

  • Barbara Barkhausen, Sydney
  • Lesedauer: 3 Min.

Im März, als sich die südliche Hemisphäre auf die Wintergrippesaison vorbereitete und gleichzeitig gegen das Coronavirus kämpfte, setzte die Epidemiologin Cheryl Cohen vom südafrikanischen Nationalen Institut für übertragbare Krankheiten (NICD) eine Studie auf, um aus dem zu erwartenden Doppelschlag zu lernen, wie sie dem Magazin »Science« berichtete. Cohen hoffte, die Wechselwirkungen der Krankheiten untersuchen zu können. Verändert eine Infektion das Risiko einer Person, sich mit dem anderen Virus zu infizieren? Und wie geht es den Menschen, die an beiden erkranken?

Antworten darauf hat die Forscherin jedoch nie erhalten. Denn Südafrika hat wie die meisten Länder auf der Südhalbkugel seit März nur vereinzelt Fälle von Grippe verzeichnet. »Wir überwachen die Grippe seit 1984, und das ist beispiellos«, sagte Cohen.

Ausgangssperren, Reisebeschränkungen, Schulschließungen, soziale Distanzierung und das Tragen von Masken haben die Ausbreitung der Grippe in großen Teilen der Südhalbkugel so gut wie verhindert. Australien, Neuseeland, Südafrika und Teile Südamerikas überstanden den Herbst und Winter von Anfang März bis Ende August ohne jegliche Grippewelle. Dies bedeutete nicht nur, dass es deutlich weniger Grippetote gab, sondern auch, dass die Kapazitäten in den Krankenhäusern weiterhin für Covid-19-Patienten frei blieben.

In Australien meldete das Gesundheitsamt von Januar bis Mitte August nur 36 im Labor bestätigte grippebedingte Todesfälle, verglichen mit mehr als 480 im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Dies sei hauptsächlich der sozialen Distanzierung zu verdanken, sagte Robert Booy, ein Experte für Infektionskrankheiten an der Universität von Sydney, dem australischen Fernsehsender Channel 9.

»Jedes Jahr verändert sich das Influenzavirus und verschiedene Stämme können in der Bevölkerung zirkulieren«, schrieb das australische Gesundheitsamt in seinem aktuellen Bericht zur Grippesaison im Land. »Bestimmte Influenza-Subtypen können verschiedene Bevölkerungsgruppen stärker betreffen als andere.« 2020 könne man aufgrund der geringen Anzahl von im Labor bestätigten Influenza-Fällen davon ausgehen, dass die Grippe in dieser Saison nur minimale Auswirkungen auf die Gesellschaft habe.

Die Grippe sei deswegen aber nicht völlig verschwunden, warnte ein Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Ende August. Zwar sei bisher »weltweit eine Influenza-Aktivität auf niedrigerem Niveau als erwartet« gemeldet worden, es gebe aber durchaus »sporadische Fälle«. Während sich die Grippesaison in der südlichen Hemisphäre dem Ende zuneigt, wappnen sich die Mediziner auf der Nordhalbkugel für den potenziellen »Corona-Grippe-Doppelschlag«. In Deutschland haben Mediziner bereits gewarnt, dass eine Grippewelle gepaart mit steigenden Covid-Infektionen zu Engpässen bei den Laborkapazitäten und so zu längeren Wartezeiten führen könnte. Um Grippe- und Corona-Infektionen zu unterscheiden, sei ein Rachenabstrich nötig, wie Ute Teichert, die Vorsitzende des Berufsverbands der Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes, der Funke-Mediengruppe sagte.

Experten sind sich im Augenblick unsicher, ob die wenigen Grippeinfektionen auf der Südhalbkugel auch eine geringe Ausbreitung im Norden bedeuten könnten. Sollte es im Oktober, November und Dezember keine Ausgangssperren und Maßnahmen zur sozialen Distanzierung geben, so könnte sich die Grippe im Norden durchaus schneller ausbreiten als auf der Südhalbkugel, warnte der Virologe John McCauley, Direktor des Worldwide Influenza Centre am Francis- Crick-Institut in London, im Interview mit dem Magazin »Science«.

Die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko) sind deswegen, dass sich ältere Menschen ab 60 Jahren, Schwangere, Patienten mit Vorerkrankungen, medizinisches Personal und Menschen, die mit Senioren arbeiten, gegen die Grippe impfen lassen sollten. So könne die Gefahr einer »Superinfektion« auf alle Fälle minimiert und gleichzeitig das Gesundheitssystem entlastet werden, heißt es vonseiten des Robert-Koch-Instituts (RKI).

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