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Die Grünen, keine Klimaschutzpartei
Tadzio Müller über die politischen Folgen der Auseinandersetzungen um den Dannenröder Wald
Die geplante Rodung des Dannenröder Waldes könnte für die Grünen zu einer Art Kosovo 2.0 werden. Sie kann zu einem irreparablen Bruch zwischen einer Partei und der sozialen Bewegung führen, die allzu viele Hoffnungen in diese Partei legte.
Es war einmal eine Partei, die das politische System der alten Bonner BRD aufmischte, weil sie - zumindest während der 1980er und eines Teils der 1990er Jahre - als eine Art parlamentarischer Arm der aus den 70er Jahren stammenden Frauen-, Umwelt- und Friedensbewegung wahrgenommen wurde. Die Grünen, später dann Bündnis 90/Die Grünen, waren in den von links unten betrachtet deprimierenden 90er Jahren einer der wenigen Lichtblicke. Ihr Sprung in die Regierung, zusammen mit Gerhard Schröders »Sozialdemokratie«, bedeutete, die Machtperiode des scheinbar ewigen Kanzlers Helmut Kohl war zu Ende. Progressive Politik schien unter Rot-Grün wieder möglich.
Tadzio Müller ist Referent für Klimagerechtigkeit bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung und in der Klimabewegung aktiv.
Auch soziale Bewegungen machten sich Hoffnungen, dass nun, unter einer Regierung mit grüner Beteiligung, ihre Inhalte mehr Reflexion in der regierungsoffiziellen Politik finden würden. Was nicht erwartet wurde, war, dass es ein Grünen-Politiker - der bekennende »Atlantiker« und Nato-Fan - sein würde, der den deutschen »Nachkriegspazifismus« im Handstreich kippen würde. Jahrzehntelang hatte gegolten, dass Auschwitz, die Shoa und zwei Weltkriege bedeuten, dass von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen soll. Dann zerfiel Jugoslawien, eine neue Doktrin der humanitären militärischen Intervention (kill people to save people) machte sich breit, und die rot-grüne Regierung wollte, dass Deutschland dabei ganz vorne mitmischt: im Angriff auf Serbien und den »Schlächter von Belgrad«, Slobodan Milosevic.
Um die deutsche Teilnahme am Kriegseinsatz gegen Serbien zu begründen, wendete der grüne Machoaußenpolitiker Fischer in einer denkwürdigen Rede die Idee, Auschwitz bedeute, dass von Deutschland nie wieder Krieg ausgehen soll, gegen sich selbst und argumentierte: »Nie wieder Auschwitz« bedeute, dass nun deutsche Soldaten im Rahmen einer Nato-Mission Serbien angreifen sollten, um dort einen Völkermord zu verhindern.
Es war also ein Grüner, einer aus der damaligen »Friedenspartei«, der durch einen extrem dreisten Auschwitz-Vergleich den ersten deutschen Kriegseinsatz nach dem Zweiten Weltkrieg legitimierte und so die historische Verbindung zwischen Pazifismus, Friedensbewegung und den Grünen kappte. Seitdem sind es nicht mehr sie, sondern zuerst die PDS, später die Linke, die als »Friedenspartei« gilt. Die Präsenz der Grünen in der Regierung bedeutete hingegen mehr, nicht weniger Kriegseinsätze.
Was uns zurück in die Gegenwart bringt: die schwarz-grünen und grün-schwarzen Regierungen in Hessen und Baden Württemberg zeigen, dass die Grünen, wenn sie in einem Industrie(bundes)land und mit der Union regieren, keinen effektiven Klimaschutz betreiben. Aber Politik läuft nicht wirklich über Fakten, sondern über Zuschreibungen, »Marken« und Erwartungen. Bisher erwarten viele in der jungen »Generation Klima«, die Grünen würden Klimaschutz betreiben, weil das einer ihrer »Markenkerne« sei.
Genau diese im Kern irrationale Verbindung könnte durch die versuchte Rodung des Dannenröder Waldes aufgehebelt werden. Diese würde dann zu einem Ereignis im emphatischen Sinne, einem Moment in der Geschichte, der neue Wahrheiten schafft. So wie Fischer zwei neue Wahrheiten schuf, die bis heute gelten und effektiv sind - die Grünen sind keine Friedenspartei, und Deutschland schickt Soldaten auf Kriegseinsätze -, könnte der Kampf um den Danni, denn die Rodung wird natürlich verhindert werden, ebenfalls neue Wahrheiten schaffen. Und zwar erstens: Die Grünen sind keine Klimaschutzpartei. Zweitens: Die Bewegung für Klimagerechtigkeit und gegen die Autogesellschaft ist eine neue Macht im Land.
Was das letztlich bedeuten würde, ist noch offen. Die Linke hat es in den vergangenen Jahren nicht geschafft, sich als die Klimagerechtigkeitspartei zu positionieren. Aber mal schauen, was die neuen Klimalisten so können. Es bleibt spannend.
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