- Berlin
- Rassismus bei der Polizei
Ein leises »Sieg Heil« ist in Ordnung
Zwei Polizeischüler sind trotz unzweifelhafter Hinweise auf ihre rechte Gesinnung Beamte geworden
Drei Tage dauerte der Berufungsprozess vor dem Berliner Landgericht. Am Freitagnachmittag verkündete der Richter den Freispruch. Für die beiden angeklagten Männer, 28 und 30 Jahre alt, hat die Entscheidung besondere Bedeutung. Sie waren Polizeischüler, besitzen mittlerweile den Beamtenstatus.
Wären sie am Freitag verurteilt worden, hätten sie mit einem Disziplinarverfahren rechnen müssen. Denn sie waren bereits 2019 mit einem weiteren Kollegen in erster Instanz wegen der Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Sie wurden beschuldigt, am 27. April 2018 während eines Alba-Spiels in der Mercedes-Benz-Arena mehrmals »Sieg-Heil« skandiert zu haben.
Während einer der Angeklagten das Urteil akzeptierte, gingen die zwei Polizisten in Berufung. Mit Erfolg. Dabei wollte der Richter auch in der zweiten Runde nicht ausschließen, dass die inkriminierten Sprüche gefallen sind. Doch sie seien so leise gewesen, dass sie nicht für die Öffentlichkeit bestimmt und daher nicht strafbar gewesen seien. Eine Begründung, die bei einigen Prozessbeobachter*innen für Unverständnis sorgte. Schließlich hatte das gesamte Verfahren nur stattfinden können, weil die Rufe von zwei Zuschauer*innen des Alba-Spiels deutlich gehört wurden.
Einer der Zeugen ist der Sozialarbeiter Sören S. Er schilderte in seiner Aussage, dass er mit einer Gruppe von acht bis zehn migrantischen Jugendlichen das Alba-Spiel besucht hatte. Die Männergruppe, die hinter ihnen saß, sei ihm bereits unangenehm aufgefallen, als dort beim ersten Ballkontakt eines jungen schwarzen Spielers aus der Gastmannschaft Affengeräusche zu hören gewesen seien, sagte er. Kurz vor der Halbzeit habe er von hinten ein erstes Mal einen »Sieg Heil«-Ruf mitbekommen, der mindestens dreimal wiederholt worden sei. Die »Heil«-Rufe seien leiser als die »Sieg«-Rufe, für sie aber deutlich hörbar gewesen, betonte der Zeuge.
Das bestätigte auch seine Kollegin in ihrer Aussage. Beide hätten sich darauf verständigt, nicht einfach wegzuhören, weil sie die Männergruppe als Bedrohung für die migrantischen Jugendlichen ansahen. Ihr Ziel sei es gewesen, die Männer aus der Arena entfernen zu lassen. Daher informierte die Sozialarbeiterin den Sicherheitsdienst, der die Polizei einschaltete. Noch im Innenbereich des Stadions sei es zu einer Gegenüberstellung mit den Männern gekommen, bei der die Sozialarbeiter*innen drei der Rufer identifizierten. Dass es sich um Polizeischüler handelte, hatten die beiden Zeugen erst beim ersten Gerichtsprozess erfahren. Sie zeigten sich gegenüber »nd« verwundert, dass die Männer trotz des Urteils in der ersten Instanz bereits im letzten Jahr zu Polizeibeamten auf Probe ernannt worden waren. Dieser Vorgang hatte auch das Berliner Abgeordnetenhaus beschäftigt. Der Linke-Abgeordnete Niklas Schrader wollte in einer Kleinen Anfrage vom Berliner Innensenat wissen, warum diese Beförderung trotz des noch nicht abgeschlossenen Verfahrens erfolgt sei.
»Da die Ausbildungszeit aller drei Beamten während der noch laufenden Strafverfahren endete, hatte die Polizei schon vor dem rechtskräftigen Abschluss der Strafverfahren eine Entscheidung zu treffen«, begründete Innenstaatssekretär Torsten Akmann (SPD) diesen Schritt. Sie sei nach eingehender individueller Betrachtung »zum Ergebnis gekommen, allen Beamten eine weitere Bewährungszeit im Rahmen eines Beamtenverhältnisses auf Probe einzuräumen«. Nach dem Freispruch im Berufungsverfahren müssen sie, anders als ihr Kollege, der das erstinstanzliche Urteil annahm, nicht mehr um ihren Job fürchten.
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