Frustriert, aber entschlossen

Max und Moritz analysieren im Chat und Podcast den US-Wahlkampf

MUM21 - Frustriert, aber entschlossen

Hey Moritz, Zeit über deine letzten Eindrücke vor der Wahl zu reden – und nicht zu vergessen: vor Halloween! Gibt es gerade mehr Wahlkampfschilder für Trump und Biden in den Vorgärten oder mehr geschmückte Gruselhäuser mit geschnitzten Kürbisköpfen?

Max und Moritz - der linke Podcast zum US-Wahlkampf

Jede Woche analysieren Max Böhnel und Moritz Wichmann im Gespräch mit Oliver Kern den US-Wahlkampf. Am 2. November um 18 Uhr schauen "Max und Moritz" in einem Live-Podcast auf die letzten Umfragen und erläutern aus der linken Perspektive, worauf man in der Wahlnacht und in den Tagen danach achten sollte.

Ungefähr beides zu gleichen Teilen. Viele Häuser sind festlich auf Halloween vorbereitet, vor vielen anderen sieht man aber auch die berühmten Yard-Signs, die kleinen Plastikschilder mit den Namen der Kandidaten. Ich bin die letzte Woche von New Jersey ins ländliche New York gefahren und ziehe gerade weiter nach Pennsylvania und Ohio. Bislang halten sich die Schilder für Trump und Biden die Waage.

Das Weiße Haus hat gerade eine Liste mit den Errungenschaften in der Amtszeit Trumps herausgegeben. Ganz oben: Das Ende der Corona-Pandemie. Dabei steigen auch in den USA gerade die Zahlen auf neue Rekordwerte. Wie sehen die Leute das?

Mittlerweile ist auch den Republikanern ganz klar, dass Corona real ist. Sie wissen, dass viel von dem, was Trump sagt, übertrieben oder komplett falsch ist. Sie wollen aber diese Rhetorik, die es »den Demokraten mal so richtig zeigt«. Sie wollen Medienkritik. Er gestern sprach ich mit Derek, einem Republikaner im kleinen Städtchen Dunkirk, der gerade zum Fischen auf den Lake Erie raus wollte. Auch er hat Freunde, die an Corona erkrankt waren, sagte er mir. Sie seien aber alle wieder gesund, und Derek hält das alles nun für politisiert. Er steht also weiterhin zu Trump. Dennoch ist Corona wieder das alles bestimmende Wahlkampfthema geworden, und das wirkt sich zu Ungunsten Trumps aus, weil deutlich wird, dass nichts unter Kontrolle ist. Die Totenzahlen steigen wieder an, vielerorts sind Krankenhäuser überlastet. Und jetzt trifft es auch immer mehr das ländliche, weiße Trump-Amerika, weil dort die Warnung vor dem Virus nicht so ernst genommen wurde und viele auf das Tragen von Masken verzichteten.

2016 bin ich wie du jetzt durchs Land gefahren und war erschrocken, wie heruntergekommen manche Regionen der USA waren: Autoreifen lagen en masse auf der Autobahn, viele Häuser fielen auseinander oder standen leer. Die Menschen in diesen Gegenden waren frustriert, dass sich niemand um sie kümmert. Trump hatte ihnen genau das versprochen. Wie ist es jetzt, vier Jahre später?

Hier am Rand des sogenannten Rustbelts kann man das immer noch sehen. In Buffalo, vor allem aber drum herum, fährt man an vielen Industrieruinen vorbei. Und es gibt eine Menge Schlaglöcher. In die Infrastruktur dieses Landesteils wurde jahrzehntelang nichts investiert. Deutsche Autobahnen sind ein Himmel dagegen. Die Frustration ist also immer noch da. Aber sie wird politisch von beiden Seiten genutzt. Derek, zum Beispiel ist ein kleiner Geschäftsmann, der sagt, Trump sei gut für sein Business. Er denkt, die Demokraten würden auf vermeintlich ungebildete Trump-Wähler nur hinabschauen.

In Interviews sagen unentschlossene Wähler, dass sie erschöpft sind vom Wahlkampf. Auf der anderen Seite werden Rekordzahlen für Früh- und Briefwähler vermeldet. Wie passt das zusammen?

Anders als 2016 gibt es kaum noch Unentschlossene. Für Medieninterviews werden mal ein paar rausgepickt, aber das sind nur noch fünf Prozent oder weniger. Vor vier Jahren waren es doppelt so viele. Dennoch passt das sehr gut zusammen, weil die Leute einerseits einfach wollen, dass es endlich vorbei ist. Gleichzeitig zeigt die hohe Wahlbeteiligung, dass sich die Menschen früh entschieden haben. Bekannte von mir aus New York City haben sieben Stunden in der Schlange am Wahllokal angestanden. Die Leute sind zwar müde von Trump, aber gleichzeitig sehr entschlossen, ihn jetzt abzuwählen.

Fällt es dir schwer, mit den Leuten in Kontakt zu kommen? Haben sie Lust, mit Journalisten über Politik zu reden?

Mir fällt es recht leicht, mit Menschen zu sprechen. Ich gehe in Läden auf sie zu, oder wenn ich irgendwo einen Stopp einlege und übernachte. Ich stelle meist die unverfängliche Frage, was sie von den Wahlen halten? Wenn ich konkreter nachhake, kommen oft auch interessante Antworten. Das eigentliche Problem ist eher, dass es kaum größere Wahlkampfkundgebungen gibt, bei denen man mal ein paar mehr Menschen gleichzeitig treffen kann.

Sind die Leute informiert über die Politik und die Kandidaten?

Die wichtigsten Sachen kennen sie, aber ich treffe auch immer wieder Menschen, die nicht wissen, wer zum Beispiel die Kandidaten fürs Repräsentantenhaus in ihrem Wahlbezirk sind. Klar wollen wir den normalen Menschen in unseren Geschichten Raum geben. Aber um die Hintergründe der Politik zu verstehen, hat es dann auch mal eine gewisse Berechtigung, Experten und langjährige Beobachter zu Wort kommen zu lassen.

Das wollen wir am Montag auch tun: Im Live-Podcast am 2. November um 18 Uhr. Dann mit Max und Moritz und weiteren Gästen. Wir schauen dann auf die letzten Umfragen und erläutern speziell aus der linken Perspektive, worauf man in der Wahlnacht und in den Tagen danach achten sollte. Also schalten Sie ein!

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.