Mindestens vier Passanten bei Terrorattacke in Wien getötet

Innenminister Nehammer geht von einem islamistischen Hintergrund der Tat aus

  • Lesedauer: 4 Min.

Wien. Bei einer Terrorattacke in Wien sind nach offiziellen Angaben mindestens vier Passanten getötet worden. Es handele sich um zwei Männer und zwei Frauen, bestätigte der österreichische Innenminister Karl Nehammer der Nachrichtenagentur APA am Dienstagmorgen. Zudem wurde ein Täter von der Polizei erschossen. Die Behörden sprachen außerdem von mehr als einem Dutzend zum Teil schwer verletzten Menschen, darunter auch ein Polizist. Ob ein oder mehrere Attentäter beteiligt waren, ist aus Sicht der Behörden weiter unklar. Sie gehen von einem islamistischen Motiv aus.

Der Terrorangriff ereignete sich wenige Stunden vor Beginn des teilweisen Lockdowns in Österreich. Die ersten Schüsse fielen am Montagabend gegen 20 Uhr nahe der Hauptsynagoge in einem Wiener Ausgehviertel. Bewaffnet mit einem Sturmgewehr, einer Pistole und einer Machete sowie einer Sprengstoffgürtel-Attrappe feuerte ein Mann in die Menge und wahllos in die Lokale. Mindestens ein Mann brach tödlich getroffen auf einem Bürgersteig zusammen. Weit mehr als ein Dutzend Menschen wurden verletzt, sieben von ihnen nach Angaben der österreichischen Nachrichtenagentur APA lebensgefährlich.

Die Attacke geht nach den Worten von Innenminister Nehammer auf das Konto mindestens eines islamistischen Terroristen. Der Attentäter war nach offiziellen Angaben ein Anhänger der radikalislamistischen Terrormiliz IS. Er wollte in der Vergangenheit nach Syrien ausreisen, um sich dort dem IS anzuschließen, teilte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) der Nachrichtenagentur APA mit. Er wurde daran gehindert und am 25. April 2019 wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu 22 Monaten Haft verurteilt. Der Mann sei jedoch am 5. Dezember »vorzeitig bedingt entlassen« worden. Der 20-jährige hatte einen österreichischen und nordmazedonischen Pass. Ob er einen oder mehrere Komplizen hatte, ist noch unklar.

Im Umfeld des Täters wurden mehrere Objekte durchsucht. Es seien mehrere Personen festgenommen worden, hieß es aus dem Innenministerium, wie die österreichische Nachrichtenagentur APA am Morgen meldete.

»Wir können derzeit nicht ausschließen, dass es noch andere Täter gibt«, sagte Nehammer am frühen Morgen. Die Ermittlungen liefen auf Hochtouren. Die Bevölkerung habe der Polizei inzwischen Tausende von Videoaufnahmen für die Ermittlungen zur Verfügung gestellt. Die Wohnung des Verdächtigen sei auf der Suche nach belastendem Material durchsucht worden, hieß es. 1000 Beamte seien in Wien im Einsatz.

Trotz der Verbindung zur Terrormiliz IS ist das konkrete Motiv für die Tat ebenso wenig bekannt wie ein Bekennerschreiben oder -video. Wollte der Schütze Panik im gut besuchten Ausgehviertel verbreiten oder hatte er sich die Synagoge als Ziel ausgesucht?

Die Wiener Innenstadt war zeitweise mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht mehr erreichbar. Weder Busse noch Bahnen steuerten Ziele im historischen Kern der Zwei-Millionen-Metropole an.

Mittlerweile kontrolliert auch die deutsche Bundespolizei die deutsch-österreichische Grenze mit erhöhter Wachsamkeit. »Unsere Kräfte sind entsprechend sensibilisiert«, sagte ein Sprecher der Bundespolizei in Potsdam am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP. Die Kontrolle der Grenze sei nun ein »taktischer Schwerpunkt«. Die Grenzbeamten beachteten genau, ob es Auffälligkeiten »aus dem entsprechenden Spektrum« gebe.

»Wer einen von uns angreift, greift uns alle an«, sagte Nehammer. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz verurteilte den Angriff als »widerwärtigen Terroranschlag«.

Der Polizei zufolge gab es sechs verschiedene Tatorte. Einer davon liegt direkt neben der Synagoge. Der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, schrieb auf Twitter, es könne nicht gesagt werden, ob sie eines der Ziele war. »Fest steht allerdings, dass sowohl die Synagoge (...) als auch das Bürogebäude an derselben Adresse zum Zeitpunkt der ersten Schüsse nicht mehr in Betrieb und geschlossen waren.«

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat mit großer Bestürzung auf den Anschlag in Österreich reagiert. »Nach den jüngsten Attentaten in Frankreich haben jetzt in Wien erneut Islamisten einen Angriff auf unsere freiheitlichen Demokratien und unsere Werte verübt, dem unschuldige Menschen zum Opfer fielen«, erklärte Zentralratspräsident Josef Schuster am Dienstag. Ob auch die Synagoge eines der Anschlagsziele war, sei zwar derzeit noch unklar, sagte Schuster. Unabhängig davon stehe aber fest, »dass Islamisten religiöse Toleranz und unsere pluralen Gesellschaften verachten«. Gerade jetzt »müssen wir gemeinsam in Europa noch stärker für unsere demokratischen Werte einstehen und diesem Hass entgegenwirken«.

Auch Spitzenpolitiker in aller Welt zeigten sich betroffen. »Wir Deutsche stehen in Anteilnahme und Solidarität an der Seite unserer österreichischen Freunde«, erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einem am Dienstag bei Twitter verbreiteten Statement. Merkel erklärte, der islamistische Terror sei »unser gemeinsamer Feind«. Ihr Mitgefühl gelte den Angehörigen der Opfer. Ihre Gedanken seien bei den Sicherheitskräften, die der Gefahr entgegentreten würden.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schrieb auf Deutsch auf Twitter: »Nach Frankreich ist es ein befreundetes Land, das angegriffen wird. Dies ist unser Europa. Unsere Feinde müssen wissen, mit wem sie es zu tun haben. Wir werden nichts nachgeben.« In Frankreich hatte es in den vergangenen Wochen drei Anschläge gegeben, die Ermittler gehen jeweils von einem islamistischen Hintergrund aus. Agenturen/nd

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