Kliniken: Alarmiert wegen Personalnot

Lage ist laut Gesundheitspolitikern gerade noch zu bewältigen. Impfzentren sollen eingerichtet werden

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 4 Min.

Es war einer der letzten Auftritte von Ulrich Frei. »Was uns große Sorgen macht, ist der Personalmangel«, sagt der langgediente Intensivmediziner und Charité-Vorstand, der in diesem Monat in den Ruhestand gehen will. Frei nimmt an einem Termin des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller und des Bundesfinanzministers Olaf Scholz (beide SPD) teil, die am Montagnachmittag die landeseigene Klinik besuchten, um sich über die Lage der medizinischen Versorgung der Covid-19-Patient*innen zu informieren. »Die Zahlen sind eindeutig, da gibt es nichts zu interpretieren«, sagte Müller angesichts der immer häufiger intensivmedizinisch zu Behandelnden. Scholz meinte, es sei unvermeidbar, dass die Fälle der Kranken zunehmen, die versorgt werden müssen.

Noch kann von einer Wirkung des sogenannte Lockdowns light keine Rede sein: Die Infiziertenzahlen in der Hauptstadt bleiben konstant über 1200 am Tag, dass am Samstag nur 335 Fälle gemeldet wurden, hat damit zu tun, dass viele Testergebnisse übers Wochenende nicht mitgeteilt werden. Auch am Montag gibt es keine validen Zahlen, weil die Gesundheitsämter keine Sonntagsdienste durchführen. Daran habe man sich seitens der Senatsverwaltung ja inzwischen gewöhnt, hatte jüngst Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) mit resigniertem Unterton beklagt.

Allein die Schließung von Orten sozialer Begegnung und Kultur wird das Infektionsgeschehen auch nicht so verlangsamen wie gewünscht. »Eine Person aus einem drei- oder vierköpfigen Haushalt kommt infiziert nach Hause und steckt alle anderen an, sofort haben Sie hier eine Ansteckungsquote von 75 Prozent«, erklärte am Montagmorgen der Staatssekretär für Gesundheit, Martin Matz (SPD). Er legte im Gesundheitsausschuss des Abgeordnetenhauses dar, wie schnell eine Ansteckung im privaten Bereich verlaufen kann. Viele der Fälle blieben zunächst unerkannt und in 90 Prozent ungeklärt, was die Infektionsherkunft angeht, konstatierte Matz, der Senatorin Kalayci im Ausschuss vertrat.

Trotz der Zunahme der Covid-19-Fälle in Berliner Krankenhäusern ist die Situation aus Sicht der Gesundheitsverwaltung momentan noch zu bewältigen. Derzeit werden 242 Covid-19-Patient*innen auf Intensivstationen und weitere 656 Erkrankte im Normalbereich versorgt. Die Zahlen seien zurzeit in Hinblick auf Bettenzahl und Personal zu handhaben, meinte Matz dazu, aber es werde auch »schwer gearbeitet«. Der weitere Zustrom stationär aufzunehmender Patient*innen könne auch dank von Freihaltevorgaben noch geregelt werden. Seit Samstag gilt wieder die Anordnung, planbare Eingriffe zu verschieben. Dies diene aber nicht nur dem Freihalten von Betten, sondern ermögliche es den Kliniken auch, Personal umzuschichten.

Matz mahnte zur Beibehaltung dieses Vorgehens: »Es kann zu Versorgungsschwierigkeiten kommen.« Die Steigerungsrate der Behandlungen sei derzeit sehr hoch. In erster Linie müsse ein Rückgang der Neuinfektionszahlen erreicht werden, damit mit drei bis vier Wochen Verzögerung auch die Zahl der Krankenhauspatienten wieder eine Begrenzung finde. Zurzeit geht man davon aus, dass zwei Prozent der Infizierten intensivmedizinisch behandelt werden müssen.

Nach wie vor ist vor dem Hintergrund des Infektionsgeschehens das Corona-Behandlungszentrum auf dem Messegelände in Betriebsbereitschaft, sagte Matz. Ein Teil könne jederzeit angefahren werden. Für die volle Inbetriebnahme aller Kapazitäten müsse man aber relativ kurzfristig Pflegekräfte hinzuziehen. Die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung und die Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG) haben bereits in der vergangenen Woche einen gemeinsamen Aufruf gestartet, zusätzliches Personal durch Rekrutierung von Freiwilligen zu akquirieren. Ein Kernteam von Vivantes werde dann für die schnelle Einarbeitung von neuem Personal bereitstehen, sagte Matz dazu.

Das Zentrum auf dem Messegelände ist vor allem für die Versorgung leichterer Covid-19-Fälle gedacht, falls die Krankenhäuser überlastet sind. Zurzeit stehen in den Berliner Kliniken 1521 Intensivbetten zur Verfügung. Das sind rund 500 zusätzliche Beatmungsbetten mehr im Vergleich zum Frühjahr. Ein »gemeinsamer Stresstest« der Gesundheitsverwaltung und der BKG hatte zum Ergebnis, dass diese innerhalb von 24 Stunden in Betrieb genommen werden können, hatte Senatorin Kalayci zuletzt mitgeteilt. »In einer maximalen Eskalationsstufe können unter Zurückfahren sonstiger Behandlungen nach Eigenauskunft der Krankenhäuser insgesamt sogar über 2000 Intensivbetten in Berlin betrieben werden«, hieß es dort weiter.

Die Kosten für die zusätzliche Ausstattung mit Atemgeräten zur Intensivversorgung hatte das Land bereits übernommen. Es wird auch die Finanzierung der Impfzentren gewährleisten, während die Impfstoffe vom Bund finanziert werden. Diese sollen durch die Bundeswehr oder die Hersteller angeliefert, dann gemäß Bevölkerungsanteil an die Länder verteilt werden und prioritär Risikogruppen zur Verfügung stehen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -