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Mondgöttin mit Rückflugticket

Chinas erste Sonde zur Rückführung von Mondgestein ist startbereit.

  • Jacqueline Myrrhe
  • Lesedauer: 4 Min.

Als Chinas modernstes Bahnverfolgungsschiff »Yuanwang 6« am 13. November seinen Heimathafen westlich von Shanghai verließ, war für Kenner der chinesischen Raumfahrt klar: Die für Ende November ankündigte Mondmission »Chang’e 5« steht unmittelbar bevor. China will mit diesem Flug zwei Kilogramm lunares Gestein und Bodenproben zur Erde bringen. Die bisher letzte Probenrückholmission der sowjetischen Mondsonde »Luna 24« datiert von 1976! Benannt nach der chinesischen Mondgöttin Chang’e, würde ein erfolgreicher »Chang’e 5«-Flug China mit der früheren Sowjetunion gleichziehen lassen.

Ursprünglich war der Start von »Chang’e 5« für den 30. November 2017 geplant gewesen. Doch die gerade in Dienst gestellte Schwerlastrakete Langer Marsch 5 (LM-5) hatte im Juli 2017 ein signifikantes Triebwerksproblem. Es folgte eine 1 1/2-jährige Generalüberholung des kompletten Triebwerks. Im Dezember 2019 war die LM-5 wieder in Betrieb. Am frühen Morgen des 17. Novembers 2020 wurde die LM-5 in senkrechter Position vom Montagegebäude zum Startplatz gefahren. »Vertikaler Transport bedeutet, dass das Raumschiff, die Rakete und das Bodensegment in Ordnung sind«, bestätigt Mao Wanbiao, der Stellvertretende Flugdirektor gegenüber dem Staatsfernsehern. Beobachter erwarten den Start in den frühen Morgenstunden des 24. Novembers - nach Berliner Zeit kurz vor 21.00 Uhr am 23. November.

Erfolg oder Misserfolg von »Chang’e 5« wird entscheidend sein für die weitere Ausrichtung des chinesischen Mondforschungsprogramms (CLEP). Schrittweise hat China die Komplexität seiner Mondflüge gesteigert, bis hin zur Landung der »Chang’e 4«-Sonde auf der Mondrückseite im Januar 2019.

Pei Zhaoyu, Stellvertretender Direktor des Chinesischen Zentrums für Mondforschung, sagte nach dem Roll-out der LM-5 den anwesenden chinesischen Medien: »Die drei Zielsetzungen der «Chang’e 5»-Mission sind: 1. Bodenproben nehmen, 2. die Proben zur Erde zu bringen und 3. das Fundament für die zukünftigen Mondmissionen legen.«

Die 8,2 Tonnen schwere »Chang’e 5«-Sonde besteht aus vier Modulen, dem Orbiter mit einer Rückkehrkapsel und der Landeeinheit mit einer Aufstiegsstufe. Nach Erreichen der Mondumlaufbahn werden Lander und Aufstiegsstufe vom Orbiter getrennt, um auf dem Mond zu landen. Nach der Landung soll ein Bohrer zwei Meter tief in den Mondboden bohren und ein Roboterarm Oberflächenmaterial in Röhren schaufeln. Bohrkern und Röhren werden dann im Aufstiegsmodul verstaut. Yu Dengyun, Stellvertretender Chefkonstrukteur des CLEP, räumte auf der China-Weltraumkonferenz Ende September in Fuzhou ein, dass das recht ambitioniert ist: »Die Schwerkraft auf dem Mond ist nur ein Sechstel so groß wie auf der Erde. Wie man unter solchen Bedingungen Proben nimmt und einpackt, ist der Schlüssel zum Missionserfolg. Wir haben das noch nie zuvor gemacht.«

Sind die Proben gesichert, startet die Aufstiegsstufe und koppelt in der Mondumlaufbahn mit dem Rückkehrmodul, in das die Proben umgeladen werden. Nach Trennung von den anderen Einheiten fliegt die Wiedereintrittskapsel zurück zur Erde. Yu Dengyun sagte dazu auf der China-Weltraumkonferenz in Fuzhou: »Bislang sind unsere Raumflüge mit der ersten kosmischen Geschwindigkeit von 7,9 km/s zurückgekommen. Dieses Mal kommt die Kapsel mit der zweiten kosmischen Geschwindigkeit von 11,2 km/s. Das bringt viele Herausforderungen mit sich, für die Aerodynamik des Raumschiffs, den Hitzeschutzschild und die Flugüberwachung.«

»Chang’e 5« wird in Siziwang Banner, im Autonomen Gebiet der Inneren Mongolei landen. Von dort werden die Proben in die neuen Forschungslabore des Nationalen Astronomischen Observatoriums der Akademie der Wissenschaften nach Peking gebracht. Noch ist offen, ob China auch ausländischen Forschern den Zugang zu den Proben ermöglichen wird. Xiao Long, ein Planetologe von der Staatlichen Universität für Geowissenschaften in Wuhan, sagte gegenüber dem Wissenschaftsjournal »Nature« immerhin, dass Wissenschaftler im Ausland in Kooperation mit chinesischen Kollegen Mondproben anfordern können.

Das Interesse dürfte groß sein, denn das Landegebiet Mons Rümker ist eine weitläufige vulkanische Formation im Oceanus Procellarum (Ozean der Stürme), der größten Mondebene. Wissenschaftler vermuten, dass das Basaltmaterial dort von relativ junger vulkanischer Aktivität stammen könnte. Die 3,1 bis 4,4 Milliarden Jahre alten Mondproben der »Apollo«- und »Luna«-Missionen ließen den Schluss zu, dass die vulkanische Aktivität in diesem Zeitraum stoppte. Mons Rümker könnte Magma beherbergen, das nur circa ein bis zwei Milliarden Jahre alt ist und damit bestehende Theorien korrigieren. Wissenschaftler warten mit Begierde auf das neue Mondmaterial. Genauso wie Tilo Lorenz, Bürgermeister im mecklenburgischen Burg Stargard. Dort wurde am 18. Mai 1788 der Astronom Carl Rümker geboren, nach dem 1935 der Mons Rümker benannt wurde. Aus Anlass des ursprünglich für November 2017 geplanten Starts von »Chang’e 5« hatte die Stadt Burg Stargard und der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte den chinesischen Taikonauten Chen Dong eingeladen, eine Gedenktafel für Carl Rümker in Burg Stargard zu enthüllen. Dabei sagte der Bürgermeister, dass es eine große Ehre wäre, ein paar Körnchen Mondstaub aus der Mons Rümker-Region für das Museum in Burg Stargard zu bekommen. Gern käme er zur Abholung nach China. Wenn bei »Chang’e 5« alles glatt geht, fällt vielleicht auch ein wenig Ruhm auf die 5000-Seelen-Gemeinde Burg Stargard. Die Segel - die Sonnensegel sozusagen - sind gesetzt.

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