Rosen, Blumenkohl und Gerechtigkeit

SONNTAGSSCHUSS: Auf der Suche nach schönen Dingen im Fußball wurde man in der vergangenen Woche reich beschenkt – sowohl verbal als auch auf dem Spielfeld.

Der Fußballphilosoph Hans Meyer hat einmal den Satz fallen lassen, er werde sich dereinst in der Rente nicht langweilen müssen, da er ein passionierter Rosenzüchter sei und dann endlich die nötige Zeit habe, um sich seiner eigentlichen Leidenschaft zu widmen. Es gab offenbar Kollegen, die das für bare Münze genommen haben, vielleicht auch, weil Ironie eine seltene Blume ist, viele Menschen erkennen sie ihr ganzes Leben lang nicht. Als Meyer einige Zeit später auf seine Gartenpassion angesprochen wurde, fiel der Vorhang: »Gehen Sie davon aus, dass ich eine Rose nicht von einem Blumenkohl unterscheiden kann.«

An Rosen und Blumenkohl musste ich auch denken, als ich vergangene Woche merkte, dass mir bei der Bitte, mir mit der Betreffzeile »Blumenwiese« fußballerische Positiverlebnisse zu schildern, ein Denkfehler unterlaufen war. Dass es Mitte November keine »Frühlingswiese« geben kann, war mir ja bewusst. Aber natürlich gibt es im Spätherbst so gut wie gar keine Blumen mehr, selbst der Blumenkohl ist längst verwelkt. Ich hätte also ein besser in die Landschaft passendes Bild nehmen sollen.

Doch damit genug mit Flora und Fauna. Über die Zuschriften habe ich mich jedenfalls sehr gefreut, und zu gerne würde ich auch sofort die beiden Anregungen (mehr FC Carl Zeiss Jena, mehr Amateure), die herauszulesen waren, sofort in die Tat umsetzen. Doch weder der glorreiche FCC noch die echten Amateure in den Ligen 5 bis ultimo spielen ja derzeit, was die Schlüsselreize für einen Kolumnisten doch empfindlich einschränkt. Aber aufgehoben ist nicht aufgeschoben, schon gar nicht, wenn es um zwei meiner Lieblingssujets im Fußball geht.

Doch ob Sie es nun glauben oder nicht: Ich habe in dieser Woche tatsächlich etwas Positives gefunden, sogar im Fußballzusammenhang. Mein Versprechen, endlich mal keine Kolumne in Moll zu schreiben, kann ich also einhalten.

In den vergangenen Tagen waren nämlich tatsächlich erste Stimmen zu hören, die Kritik an der Politik von Karl-Heinz Rummenigge übten, jede Reform bei der Verteilung der Fernsehgelder zu verweigern und dafür eine Allianz zu schmieden. Der Bayern-Boss hatte in der Woche zuvor 14 Erst- und einen Zweitligisten in ein Frankfurter Hotel bestellt - und zwar nur diejenigen, die das Thesenpapier nicht unterschrieben haben, das der Branche empfiehlt, endlich aus ihrer Krise zu lernen. Ewald Lienen vom FC St. Pauli hat die faktische Machtübernahme des FC Bayern dann auch angemessen deutlich kritisiert: »Es ist natürlich schwer für Karl-Heinz zu akzeptieren, dass wir uns in einer Demokratie befinden. Wenn ich bei Bayern München bin und mir kommt das Geld aus den Ohren raus ...«, sagte Lienen. »Zur Strafe, dass sie eine eigene Meinung haben und die auch äußerten, werden sie ausgeschlossen. Ich finde es erbärmlich.« Auch Lienens ehemaligem HSV-Kollegen Heribert Bruchhagen fiel zu Rummenigge nur eines ein: »Wie im Kindergarten: Du darfst nicht mitspielen, weil du rote Haare hast oder sowas.« Und last but not least zeigte auch noch Marco Bode, Aufsichtsratschef bei Werder Bremen, dass nicht jeder Verein, der sich für Rummenigges PR-Show einspannen ließ, indem er die Einladung nach Frankfurt annahm, dort auch seinen Verstand gelassen hat. »Wir haben es nicht verstanden, warum einige Klubs, die aus meiner Sicht nichts Verwerfliches getan haben, ausgeschlossen waren«, sagte Bode in einem großen SZ-Interview. »Sie haben einen Vorschlag gemacht, wonach die Verteilung der Fernsehgelder verändert werden muss. Ich finde das völlig in Ordnung. Außerdem vertreten auch wir die Position, dass Veränderungen notwendig sind, um die wichtigsten Herausforderungen des Fußballs zu bearbeiten.«

Sie sehen: Es gibt noch intelligentes Leben in der Branche. Und wenn das mal keine positive Nachricht ist, weiß ich auch nicht mehr, ich wäre jedenfalls mit der vergangenen Woche schon am Freitag vollauf zufrieden gewesen. Doch dann habe ich am Samstag meinen Tipp für das Spiel Bayern gegen Bremen verhauen. Um zwei Punkte, einen Werder- und sieben Bayern-Treffer. Statt 8:0 für Bayern endete das Spiel 1:1. Manchmal gibt es also selbst im Fußball noch so etwas wie eine höhere Gerechtigkeit.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.