Linke fordert Stopp von Rüstungsexporten in die Türkei

Seit 2004 wurden Ausfuhren von 1,5 Milliarden Euro an die türkische Marine bewilligt

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Nach dem Zwischenfall bei der Kontrolle eines türkischen Schiffs im Mittelmeer durch die Bundeswehr hat die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen einen Stopp der deutschen Rüstungsausfuhren an die Türkei gefordert. »Die Waffenexporte an die türkische Kriegsmarine, gerade die dreistelligen Millionenwerte der letzten Jahre, nachdem Präsident Recep Tayyip Erdogan die Türkei in Richtung Diktatur umbaute, sind unverantwortlich«, kritisierte die Vorsitzende der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe am Montag in Berlin.

Die türkische Marine bezog seit dem Jahr 2004 Rüstungsgüter im Wert von rund 1,5 Milliarden Euro aus Deutschland. Dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage Dagdelens hervor; das Schreiben liegt AFP vor.

Am Wochenende war es im Mittelmeer zu einem Zwischenfall bei der Kontrolle eines türkischen Schiffes im Rahmen der EU-Mission »Irini« zur Verhinderung von Waffenlieferungen nach Libyen durch die Bundeswehr gekommen. Einsatzkräfte der deutschen Fregatte »Hamburg« hatten den türkischen Containerfrachter am Sonntag nach Bundeswehrangaben betreten. Die Inspektion musste dann aber abgebrochen werden, weil die Türkei ihre Zustimmung dafür zurückzog.

Dagdelen übte scharfe Kritik an dem Vorgehen: »Von einer Durchsetzung des UN-Waffenembargos gegen Libyen durch die EU-Mission 'Irini' kann keine Rede sein, wenn die Kontrolle mutmaßlicher Waffenschmuggler mit einem einfachen Protestanruf der türkischen Führung abgewendet werden kann.« Die Bundesregierung müsse »endlich die Waffenexporte an die Türkei und alle anderen Libyen-Brandstifter stoppen«. Bisher unterbindet die Bundesregierung nur den Export von Rüstungsgütern an die Türkei, die im Syrien-Krieg eingesetzt werden können. Güter für den »maritimen Bereich« werden aber weiter genehmigt und ausgeführt.

Die EU hatte im März dieses Jahres eine neue Marine-Mission zur Durchsetzung des Waffenembargos für Libyen beschlossen. Der Militäreinsatz »Irini« überwacht dabei mit Schiffen und Flugzeugen vor allem den Seeweg nach Libyen.

Die Türkei unterstützt im libyschen Bürgerkrieg die von der UNO anerkannte Einheitsregierung in Tripolis. Die Einheitsregierung steht im Konflikt mit General Chalifa Haftar, dessen Truppen Gebiete im Osten und Süden des Landes kontrollieren. Auch Haftar wird von einer Reihe von Staaten militärisch unterstützt, darunter Ägypten. Die Konfliktparteien hatten Ende Oktober einen Waffenstillstand geschlossen. Seit Anfang November finden unter der Schirmherrschaft der UNO innerlibysche Gespräche für eine politische Lösung statt.

Rüstungslieferungen an Ankara sind inzwischen auch wegen des zunehmenden Konflikts der Nato-Partner Griechenland und Türkei um Erdgasvorkommen im östlichen Mittelmeer höchst umstritten. Die Regierung des EU-Partners Griechenland hatte Deutschland vor einigen Wochen aufgefordert, den Exportstopp auf Kriegsschiffe auszuweiten. Das betrifft insbesondere den Bau von sechs U-Booten der Klasse 214, die in der Türkei unter maßgeblicher Beteiligung des Konzerns ThyssenKrupp Marine Systems montiert werden.

Die Bundesregierung hatte die Lieferung von Bauteilen bereits 2009 genehmigt. Jetzt gerät das U-Boot-Projekt wegen des sich zuspitzenden Konflikts im Mittelmeer immer stärker in die Kritik. Griechenland wirft dem Nato-Partner Türkei vor, vor griechischen Inseln illegal nach Erdgas-Vorkommen zu suchen. Die Regierung in Ankara weist die Vorwürfe zurück und argumentiert, dass die Gewässer zum türkischen Festlandsockel gehören.

Die Bundesregierung müsse sich entscheiden, ob sie den türkischen Präsidenten Erdogan militärisch weiter aufrüsten und so Europa spalten wolle oder mit einem generellen Waffenembargo endlich europäische Solidarität mit Griechenland, Zypern und Frankreich zeigen wolle, sagte Dagdelen. Agenturen/nd

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.