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Fremdgemachte Wirtschaftskrise
Die schlimmste Rezession seit 30 Jahren: Langzeitfolgen der Pandemie treffen arme Länder am härtesten
Zu Beginn der Covid-19-Pandemie wurden in Europa Unkenrufe laut: Wenn »uns« die Pandemie so schwer trifft, wartet erst einmal ab, wie es Afrika treffen wird. Diese Erwartung ist nicht eingetroffen. Dennoch sind die wirtschaftlichen Folgen für die ärmsten Länder der Welt verheerend. Der am Donnerstag veröffentlichte Bericht der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (Unctad) spricht von der schlimmsten Rezession seit 30 Jahren. Zwischen Oktober 2019 und Oktober 2020 wurde das vorhergesehene Wirtschaftswachstum der sogenannten am wenigsten entwickelten Länder (LDC) deutlich revidiert, von fünf Prozent auf -0,4 Prozent. Die Unctad erwartet eine Verringerung des Pro-Kopf-Einkommens um 2,6 Prozent. Die Pandemie wirft diese Länder damit auch bei Ernährung, Gesundheit und Bildung weiter zurück, bereits hohe Armutsraten steigen weiter, nach Berechnungen der Unctad wird der Anteil der Menschen, die weltweit in extremer Armut leben, um 32 Millionen ansteigen. Eine ebenfalls am Donnerstag veröffentlichte Studie des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) geht sogar von 44 Millionen Menschen aus beziehungsweise 251 Millionen in einem »High-Damage«-Szenario mit einer verlängerten Erholungszeit. Die Nachhaltigen Entwicklungsziele der UN, die vorsahen, bis zum Jahr 2030 extreme Armut und Hunger zu beenden, rücken so erneut in weite Ferne. »Die am wenigsten entwickelten Länder sind die am meisten getroffenen von einer Krise, die sie nicht verursacht haben; ähnlich ihrer Lage angesichts des Klimawandels«, schreibt der Generalsekretär der Unctad, Mukhisa Kituyi, im Vorwort des Berichts. Die internationale Gemeinschaft müsse dazu beitragen, diese Ungerechtigkeit zu beseitigen.
In diesem Jahr zählten 47 Länder zur Liste der LDCs; 32 afrikanische Länder, darunter Tansania, Ruanda, Mali, acht asiatische, darunter Afghanistan, Bangladesh, Jemen und sieben pazifische Inseln. Die Kriterien setzen sich aus Pro-Kopf-Einkommen, »Humankapital« (Bildung, Gesundheit) und ökonomisch-ökologischer Anfälligkeit (Katastrophen, Abgelegenheit, Exporte etc.) zusammen. Alle drei Jahre wird überprüft, ob Länder neu auf die Liste kommen oder von der Liste genommen werden können und »aufsteigen«, wie es im Jargon der Entwicklungslogik heißt. Doch nun könnte die Corona-Pandemie auch »Aufsteigerkandidaten« wieder zurückwerfen.
Zwar konnten LDCs die gesundheitlichen Aspekte der Pandemie weitaus besser überstehen als vorhergesagt, und zwar aufgrund länderspezifischer Faktoren wie vorangegangener Erfahrung mit Epidemien, politischen und technologischen Innovationen und vorteilhafter Demografie wie junger Bevölkerung und niedriger Bevölkerungsdichte, heißt es im Bericht. Doch gleichzeitig war der ökonomische Einfluss der Pandemie katastrophal. Doch das lag nicht an Geschäftsschließungen und anderen lokalen Maßnahmen - Lockdowns - im Kampf gegen die Pandemie, sondern an der Rezession der Weltwirtschaft. »Dadurch ist die Nachfrage aus dem Ausland nach Gütern und Dienstleistungen stark eingebrochen«, heißt es im Bericht. In der Folge sind die Preise der wichtigsten Exportprodukte verfallen und auch der Zufluss externer Ressourcen wie zum Beispiel Geldsendungen von Verwandten, die im Ausland arbeiten, brach ein. Am meisten betroffen waren davon laut Unctad jene Länder, die auf den Export einzelner weniger Güter angewiesen sind, wie Exportländer fossiler Brennstoffe, Mineralstoffe und Metalle, Bekleidung sowie Länder mit wichtigem Tourismussektor.
Ein Problem ist, dass diese Länder nun umso mehr auf externe finanzielle Unterstützung angewiesen sind. Das Volumen von Entwicklungshilfe stagniert seit 2013, wie der Bericht anmerkt, auch weil »die geldgebenden Länder ihr langjähriges Versprechen nicht einhalten«, ihre Hilfszahlungen an die Ärmsten auf ein Niveau zu heben, das 0,15 bis 0,2 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung entspricht. Auch die Finanzierung des UN-Reaktionsplans ist noch nicht gesichert. Das Kinderhilfswerk Unicef rief am Donnerstag Regierungen und andere Geber zur Unterstützung auf, um Kindern zu helfen und zu verhindern, dass eine verlorene Generation entstehe. Insgesamt benötigt Unicef nach eigenen Angaben im nächsten Jahr 6,4 Milliarden US-Dollar (knapp 5,3 Milliarden Euro). Das entspreche einer Steigerung von 35 Prozent verglichen mit dem Nothilfeaufruf 2020.
Die Unctad empfiehlt Maßnahmen, die die Produktionsleistung der Länder steigern würden, wie der Übergang zu einer digitalen Ökonomie und die Entwicklung der Agrarwirtschaft. Die UNDP setzt auf Investition in soziale Programme, Digitalisierung und grüne Ökonomien. Außerdem müsse Korruption bekämpft, die Effektivität der Regierungen erhöht und inklusive Demokratie gestärkt werden. Auf Nachfragen erklärte ein Sprecher, dass UNDP keine konkreten Handlungsempfehlungen erteile.
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