Kliniken sehen kein Land

Experten beurteilen die Lage in Krankenhäusern nahe der Corona-Hotspots als dramatisch

  • Lola Zeller und Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Alle Hoffnung ruht nun darauf, dass bald geimpft werden kann. »Wir können schon im Dezember höchstwahrscheinlich anfangen mit dem Impfen, spätestens aber im Januar«, sagt der regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) im Plenum des Abgeordnetenhauses. Hier wurde am Donnerstag heftig über das aktuelle Vorgehen in der Coronakrise diskutiert.

Dafür sei es nötig, die entsprechende räumliche Situation und technische Ausstattung zu schaffen und Personal anzusprechen und vorzuhalten, sagte Müller. »Wenn es gelingt, dass jetzt die Impfstoffe entsprechend zugelassen werden, wenn die Produktion entsprechend anlaufen kann, können wir damit rechnen, dass wir im ersten Quartal rund 350 000 Berlinerinnen und Berliner impfen können«, so der Bürgermeister.

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Bis es zur erhofften Entlastung der Pandemiesituation durch Impfungen kommt, muss die Situation in den Kliniken im Blick behalten werden. Zwei der drei Berliner Corona-Ampeln stehen weiterhin auf Rot, sagt die Fraktionsvorsitzende der Grünen Silke Gebel im Abgeordnetenhaus. Allein von Mittwoch auf Donnerstag seien 1000 Neuinfektionen gemeldet worden. »88 Prozent der an Covid-19 verstorbenen Berlinerinnen und Berliner waren über 70 Jahre alt. Wenn wir nicht noch konsequenter handeln, sterben immer mehr ältere Menschen«, so Gebel.

»Die Berliner 7-Tage-Inzidenz liegt noch immer bei 193,4 Infektionen pro 100 000 Einwohner*innen«, sagt Carsten Schatz, Fraktionsvorsitzender der Linken im Abgeordnetenhaus. Das ist die erste rote Corona-Ampel. Die zweite rote Ampel bezieht sich auf den Anteil von Covid-19-Erkrankten an der Intensivbettenbelegung. 26,6 Prozent der Betten auf Intensivstationen sind aktuell durch Covid-Patient*innen belegt. »Waren Anfang November noch 169 Intensivbetten belegt, hat sich diese Zahl mehr als verdoppelt. Stand heute früh sind es 358«, so Schatz.

Das Vivantes-Klinikum in Neukölln meldete schon Ende November, dass ein Aufnahmestopp der Rettungsstelle in Betracht gezogen werde, da diese stark ausgelastet sei. Das ist bisher noch nicht eingetroffen, aber am Montagabend mussten neun Patient*innen der Rettungsstelle von der Feuerwehr ins umliegende Stadtgebiet verlegt werden, um diese »temporär zu entlasten«, sagt Vivantes-Sprecherin Mischa Moriceau. »Eine Abmeldung bei der Leitstelle der Feuerwehr konnte so vermieden werden.« Insgesamt werden laut Moriceau nach aktuellem Stand am Donnerstag 448 Patient*innen mit Covid-19 bei Vivantes behandelt, 74 davon intensivmedizinisch und 47 mit künstlicher Beatmung. »Die Bettenauslastung liegt derzeit im somatischen Bereich bei rund 66 Prozent und im Intensivbereich bei rund 70 Prozent«, sagt die Klinik-Sprecherin auf nd-Anfrage. Reservebetten müssten bisher noch nicht angefahren werden.

Auch Michael Müller verwies in der Debatte im Abgeordnetenhaus auf volle Intensivstationen und zweistellige Todeszahlen pro Tag in Berlin im Zusammenhang mit dem Coronavirus. »Das ist alles nichts, womit man sich abfinden kann«, erklärte Müller.

Ebenfalls sehr ernst ist die Lage in Brandenburg. »Die Krankenhäuser gelangen an ihre Belastungsgrenze«, sagte Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) bereits am Dienstag. Einen Tag zuvor hatte ihr Ressort die 24 Rehakliniken im Bundesland informiert, dass diese sich darauf einstellen sollten, bei Bedarf mittelschwere und leichte Fälle ohne Corona-Infektion zu versorgen, damit in den Krankenhäusern »mehr schwere und schwerste Fälle sowie Corona-Infizierte aufgenommen werden können«. So weit ist es nach Angaben der Landeskrankenhausgesellschaft noch nicht gekommen. Es werden aber bereits Patient*innen in weniger belastete Gebiete Brandenburgs verlegt. »Es wird geschaut, wo noch freie Kapazitäten sind«, so Geschäftsführer Michael Jacob. Zu den besonders betroffenen Regionen zählt vor allem die Niederlausitz. »Dort ist die Lage dramatisch.«

Wie aus einem Register der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin hervorgeht, sind in Oberspreewald-Lausitz, dem Landkreis mit der höchsten Infektionsrate in Brandenburg, 25 Prozent der Intensivbetten mit Corona-Patient*innen belegt und gar keine Betten mehr frei. Im gesamten Bundesland sind nur 153 von 757 Intensivbetten nicht belegt. Eine Entwarnung ist deshalb aber nicht angezeigt: »Das, was wir heute im Krankenhaus sehen an schweren Fällen, ist das Infektionsgeschehen von vor drei bis vier Wochen. Die Zahlen sind nicht runter gegangen«, warnte Jacob. Es sei wichtig, dass die Bevölkerung alles vermeide, was die Ansteckungszahlen in die Höhe treibe.

Mit 950 Infektionen binnen 24 Stunden meldete das Gesundheitsministerium am Donnerstag aber einen neuen Rekord. 689 Corona-Patient*innen werden aktuell in märkischen Kliniken behandelt, 143 von ihnen auf der Intensivstation. 107 müssen beatmet werden. Die Zahl der Todesfälle erhöhte sich um 25 auf 525. Damit wurde der bisherige Höchstwert von 26 Todesfällen, der am 28. November gemeldet wurde, wieder fast erreicht. Mit Agenturen

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