Endlich wieder etabliert

Die junge Mannschaft des starken Aufsteigers VfB Stuttgart schafft ein Remis gegen Union Berlin

Mit dem 2:2 gegen Union Berlin hatte nur der Mann des Tages ernsthafte Probleme. Das war insofern verwunderlich, als Stuttgarts Saša Kalajdzič erst in der 80. Minute eingewechselt worden war und prompt die beiden Treffer zu einem gerechten Remis zwischen zwei Teams beigesteuert hatte, die jeweils eine Halbzeit lang dominiert hatten. Doch der Österreicher tat so, als sei das nur insofern interessant, dass es ihm Punkte in einem Managerspiel hätte eintragen können: »Und ich Trottel habe mich nicht aufgestellt..«

Tatsächlich war Kalajdzič allerdings auch von seinem Trainer fast das ganze Spiel über auf der Bank gelassen worden. Doch was sollte der arme Pellegrino Matarazzo auch tun? Die anderen beiden Angreifer sind ja ebenfalls in bestechender Form. Nicolas Gonzalez hat einige Spiele verpasst und trotzdem bereits vier Tore erzielt. Am Dienstag hätte er mit einem Seitfallzieher, der an die Latte krachte, fast ein weiteres erzielt. Und Silas Wamangituka steuerte erst am Samstag zwei Treffer zum 5:1-Sieg beim BVB bei. »Wenn einer einen schlechten Tag hat, kommt ein anderer und haut die Dinger rein«, freute sich Matarazzo nach dem Spiel. Tatsächlich bringt es der Sturm um Gonzalez, Kalajdzič und Wamangituka bereits auf 16 Saisontreffer. Überraschend dabei ist: Zusammengerechnet haben sie erst 66 Jahre auf dem Buckel.

Mit der Selbstbezeichnung als »Junge Wilden« geht der VfB hausieren, seit er 2007 mit vielen Spielern aus dem eigenen Nachwuchs Deutscher Meister wurde. De facto hat er das Versprechen seither aber oft mit Füßen getreten. Gut ausgebildet wird beim VfB seit jeher. Doch Eigengewächse wie Joshua Kimmich und Timo Werner wurden anderswo zu Nationalspielern. Erst als Sven Mislintat und Thomas Hitzlsperger die sportliche Leitung übernahmen, wurden Anspruch und Wirklichkeit besser koordiniert. Schon in der vergangenen Saison stieg der VfB mit einem überraschend jungen Kader auf. Doch so gut wie jetzt in der ersten Liga spielte der selten. Seit dem Aufstieg zeigen sich nun gestandene Spieler wie Abwehrchef Marc-Oliver Kempf, Pascal Stenzel oder Gonzalo Castro klar verbessert, neben Gonzalez und Wamangituka haben auch Tanguy Coulibaly (19), Mateo Klimowicz (20) oder Orel Mangala (22) große Schritte nach vorne gemacht.

Dass es nun viel besser läuft, wird intern auch darauf zurückgeführt, dass Matarazzo, der im Januar eine talentierte, aber unsichere Mannschaft übernahm, in diesem Sommer eine komplette Vorbereitung zur Verfügung hatte. Wer dem VfB in dieser Spielzeit zuschaut, sieht meist ein Team, bei dem Defensive und Offensive in einem guten Gleichgewicht sind. Ein Team, das am Schluss stets noch zulegen kann. So wie am Dienstag, als nach schwacher erster Halbzeit, in der es am Läuferischen zumindest nichts auszusetzen gab, am Ende noch ein regelrechter Sturmlauf angesetzt wurde. Beides - die Automatismen im taktischen Bereich, wie die überragende Physis - sind Basics, die sich trainieren lassen. Der derzeitige Erfolg des VfB verweist also nicht zuletzt auf den Trainer.

Da das im gleichen Maße auf Union Berlin zutrifft, war das Aufeinandertreffen der beiden Überraschungsmannschaften dieser Saison am Dienstag auch besonders aufschlussreich. Es war schließlich schon erstaunlich, wie eine Berliner Mannschaft, die gerade noch, abgesehen von den Keepern, fünf nicht verletzte Ersatzspieler zusammenbrachte und Spieler wie Christian Gentner oder Max Kruse ersetzen musste, nach dem kräftezehrenden Bayern-Spiel (1:1) auftrat. Nach der frühen Führung durch Marvin Friedrich, der einen Freistoß von Christopher Trimmel verwerten konnte (4.), hatte Union noch drei, vier weitere gute Chancen, die durch einen Fußball herausgespielt wurden, der - bei aller Unterschiedlichkeit in der Spielanlage - auf ähnlichen Basics beruht wie bei den Schwaben. Auch Union, das durch Taiwo Awoniyi das zwischenzeitliche 0:2 erzielte (77.), ist topfit und schafft es so, mit wenigen gezielten Bällen die komplette Länge des Spielfelds binnen Sekunden zu überwinden. Vor allem aber verteidigen die Köpenicker im Kollektiv so gut, dass der VfB im ersten Durchgang nur eine klägliche Halbchance (Klimowicz/12.) hatte.

Bedauerlicherweise haben Matarazzo und sein Kollege Urs Fischer indes auch eine Gemeinsamkeit, die pointensüchtigen Journalisten die Arbeit erschwert. Beide hauen nicht unbedingt eine knallige Aussage nach der nächsten heraus. Doch wen kümmert das, wenn ein Aufsteiger und ein Team, das erneut als Absteiger in spe gehandelt wurde, nach zwölf Spielen 18 Punkte auf dem Konto haben und sich im direkten Duell ein solch spektakuläres Spiel liefern können. »Union steht zu recht da oben«, hat Stuttgarts Coach dann doch noch gesagt. Für sein eigenes Team gilt das ebenfalls.

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