Leere Häuser, volle Taschen

Obdachlosenen-Initiative protestiert gegen Abriss von Wohngebäuden durch Spekulanten in Mitte

  • Moritz Aschemeyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Diesmal geht alles sehr schnell. Am Dienstagmittag befestigen Aktivist*innen gegen 13 Uhr ein großes Transparent an mehreren Fenstern des Hauses Habersaathstraße 46 in Mitte. Wenige Minuten später ist der Ort wieder verwaist, nur das Spruchband mit der Forderung »Leerstand zu Wohnraum« zeugt noch von der vorangegangenen symbolischen Aktion. Kurz vor Jahresende wollten die Besetzer*innen damit erneut auf den jahrelangen Leerstand im ehemaligen Beschäftigtenwohnheim der Charité hinweisen und ihrem Unmut über die Politik des Bezirks Mitte Ausdruck verleihen.

Bereits im Oktober hatten Obdachlose und Stadtaktivist*innen mehrere Wohnungen in der Habersaathstraße 46 besetzt. Damit sollte Druck auf das Bezirksamt ausgeübt werden, den seit Jahren größtenteils leer stehenden Plattenbau zu beschlagnahmen und dort Wohnraum für Obdachlose zu schaffen. Nach wenigen Stunden hatte die Polizei das Gebäude geräumt.

Das Bezirksamt erklärte im Anschluss, eine Beschlagnahme sei nicht verhältnismäßig. Eine solche Maßnahme sei nur zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit nach Ausschöpfung aller Alternativen durchsetzbar. Die Bezirksverordnetenversammlung Mitte hatte Anfang Dezember eine Prüfung aller Möglichkeiten beschlossen, was für das Bezirksamt freilich nicht bindend ist.

Eine Beschlagnahme dürfte nun ohnehin vom Tisch sein, da Bewegung in den Rechtsstreit zwischen Besitzer und Bezirk gekommen ist. Die Immobilienfirma Arcadia Estates plant seit 2018, in der guten Lage direkt gegenüber dem Hauptsitz des Bundesnachrichtendienstes Luxuswohnungen zu bauen, hatte aber bisher keine Abrissgenehmigung erhalten. Das Bezirksamt sieht das Gebäude als »schützenswerten Wohnraum« an. Das Zweckentfremdungsverbot regelt, dass in diesem Fall bei Abriss angemessener Ersatzwohnraum zu maximal 7,92 Euro nettokalt pro Quadratmeter geschaffen werden muss - eine umstrittene und in einem anderen Fall bereits vom Verwaltungsgericht gekippte Mietobergrenze.

Bereits im November habe der Eigentümer ein Vergleichsangebot gemacht, das den Abriss nun ermöglichen soll, sagt die zuständige Bezirksstadträtin Ramona Reiser (Linke) zu »nd«. Der Investor wolle für 105 Wohnungen in den Häusern Habersaathstraße 40-48 den schützenswerten Status akzeptieren und entsprechend Ersatzwohnraum stellen. Damit sind die Verhandlungen allerdings noch nicht beendet. Für die Altmieter*innen fordere das Bezirksamt eine Verbleibemöglichkeit im Neubau zu 6,50 Euro pro Quadratmeter, »mindestens für diejenigen mit Wohnberechtigungsschein«, so Reiser.

Für Mieter*innen, die auszögen, wolle man zudem großzügige Abfindungen erreichen, um den Stress der letzten Jahre zu kompensieren. Auch strebe man Regelungen zum Anteil von Sozialwohnungen im Neubau an. Mit Blick auf die Mietobergrenze von 7,92 Euro sei man sich der Vorbildfunktion des Falles bewusst, »deswegen braucht es eine Einigung, die sowohl der Stadtgesellschaft als auch den Altmietern Rechnung trägt«, erklärt Reiser. Zudem hat sich der Besitzer bereit erklärt, dem Bezirksamt in dem Gebäude bis Ende März Raum für 60 Notunterkünfte bereitzustellen, was allerdings nicht Teil des Vergleichs sein werde, so Stadträtin Reiser.

»Das reicht nicht«, sagt dazu Valentina Hauser von der Besetzerinitiative »Leerstand Hab-ich-Saath«. Man wolle weiterhin, dass langfristiger und menschenwürdiger Wohnraum für obdach- und wohnungslose Menschen eingerichtet werde. »Also housing first im wahrsten Sinne des Wortes, anstatt vorübergehende Notlösungen.« Zudem sehe sie in einem Vergleich die Gefahr, dass künftig auch andere Investoren auf Abriss und Neubau setzten, um das Zweckentfremdungsverbot zu umgehen. »Damit wird auch signalisiert, dass sich Leerstand lohnen kann«, so Hauser.

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