Neonazis wegen Terrorserie festgenommen

Sebastian T. und Tilo P. sollen in Berlin-Neukölln jahrelang rechte Anschläge verübt haben

  • Marie Frank
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Mittwochmorgen wurden im Zusammenhang mit der rechtsextremen Anschlagserie in Berlin-Neukölln zwei Neonazis festgenommen. Dem früheren NPD-Kader Sebastian T. und dem Ex-AfD-Politiker Tilo P. werden Brandanschläge auf die Autos des Neuköllner Linke-Politikers Ferat Kocak und des Buchhändlers Heinz Ostermann im Februar 2018 zur Last gelegt. Das ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs: 72 Angriffe, darunter 23 Brandstiftungen, eingeschlagene Fensterscheiben, auf Hauswände gesprühte Drohungen und geschändete Stolpersteine zählt die Polizei allein seit 2016 in der rechten Anschlagserie.

Seit mehr als zehn Jahren werden Antifaschist*innen in Neukölln von Neonazis terrorisiert. Konsequenzen mussten die Täter nicht fürchten. Mehrere Sonderermittlungsgruppen wurden zur Aufklärung des »Neukölln-Komplexes« eingerichtet - ohne Erfolg. Dabei waren die mutmaßlichen Täter seit langem bekannt, nur nachweisen konnte die Polizei ihnen nichts. Nach Bekanntwerden mehrerer Verstrickungen der Polizei ins rechte Tätermilieu und Versetzung der ermittelnden Staatsanwälte wegen des Verdachts der Befangenheit hatte die Generalstaatsanwaltschaft Berlin den Fall im August an sich gezogen.

Ferat Kocak, der bei dem Anschlag nur knapp mit dem Leben davon kam, bedankte sich am Mittwoch bei den Betroffenen und zivilgesellschaftlichen Initiativen für ihre jahrelange unermüdliche Arbeit: »Das ist ihr Erfolg, weil sie nicht nachgelassen haben«, so Kocak zu »nd«. »Seit elf Jahren terrorisieren die Neonazis Neukölln, drei Jahre ist der Anschlag auf mich und meine Familie jetzt her. Warum hat das so lange gedauert?« Kocak fürchtet nun, dass T. und P. bald wieder freikommen und Racheakte begehen könnten. In die Polizei, die ihn vor dem Anschlag nicht gewarnt hatte, obwohl sie von den Plänen wusste, hat er kein Vertrauen. Angesichts des Versagens der Ermittlungsbehörden fordern Kocak und die anderen Betroffenen sowie die Berliner Linkspartei einen Untersuchungsausschuss. Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) lehnt das ab, stattdessen setzte er im September zwei Sonderermittler ein.

Die Bundestagsabgeordnete Martina Renner (Linke) begrüßte die Verhaftungen als »überfällig«. Die Indizien gegen die beiden Neonazis seien »erdrückend« gewesen. »Die Frage ist, ob über die beiden die schützende Hand gelegt wurde«, so Renner zu »nd«. Diese Frage könne nur ein Untersuchungsausschuss klären. Renner hofft, dass die Beweise gegen Tilo P. und Sebastian T. für eine Anklage auch ausreichen. »Es wäre ein schlimmes Signal, wenn sie wieder freikommen und das von der rechtsextremen Szene in Neukölln abgefeiert wird, nach dem Motto ›Die können uns nichts‹.« Die stellvertretende Parteivorsitzende fordert, dass nun alle Taten, die der rechten Terrorserie zugeordnet werden, lückenlos aufgeklärt werden. Seite 13

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