»Koalition mit den Grünen verbietet sich«

Strategiepapier des Linke-Vorstands wird von »Antikapitalisten« und »Reformern« scharf kritisiert

Es sind noch zwei Monate, bis die Linke ihren dezentralen Parteitag veranstaltet und einen neuen Vorstand wählt. Von da an sind es nur noch sechs Monate bis zur Bundestagswahl. Eine Zeit, die wohl kaum reichen würde um einen kompletten Wahlkampf, auch inhaltlich vorzubereiten.

Auch deswegen hat der noch amtierende Parteivorstand schon Mitte November ein Strategiepapier für den Wahlkampf veröffentlicht. Das achtseitige Papier ist einfach gegliedert. Zunächst wird eine Beschreibung der Gesellschaft in der Corona-Pandemie vorgenommen. Reiche werden reicher, während viele Menschen »in ihrer Existenz bedroht« sind.

Deswegen soll im Wahlkampf gefragt werden, wer die Kosten für die Krise zahlt und wie die Gesellschaft organisiert sein muss, damit »alle gut und sicher durch die Krise kommen«. Anschließend wird eine Analyse anderer Parteien vorgenommen. Die Grünen hantierten zwar viel mit dem Begriff »Gerechtigkeit«, würden ihn aber vor allem mit »Floskeln« füllen.

Dabei sei soziale Gerechtigkeit für einen Teil der Anhänger trotz des schwarz-grünen Kurses durchaus wichtig. Diese seien offen für die Linke. Bei der SPD will man auf Widersprüche zwischen Rhetorik und tatsächlichem Regierungshandeln hinweisen. Anhänger der Sozialdemokraten sollen durch die glaubwürdigere Politik der Linken gewonnen werden. Grüne und SPD schauten zu sehr auf die CDU, dabei sei ein »sozialer und ökologischer Aufbruch« und konsequente Friedenspolitik nur mit der Linken möglich.

Im weiteren Text des Strategiepapiers werden Themen der Linken für den Wahlkampf benannt. Wenig überraschend finden sich Punkte wie soziale Sicherheit, Gesundheitsschutz, Abrüstung und soziale Klimapolitik. In einer Zielgruppenanalyse wird eigentlich jeder, der nicht Multimillionär ist, als potenzieller Wähler der Linken genannt.

An dieser Wahlkampfstrategie des Parteivorstands gibt es von mehreren Seiten harsche Kritik. Thies Gleiss, Bundessprecher der Antikapitalistischen Linken (AKL), sagt gegenüber dem »nd«, das Papier widerspreche in seinen Zielen und Einschätzungen wesentlichen Positionen der AKL. Es zeige sich, wie schon in der Finanzkrise, »dass große Teile der Linken nicht Krise können«.

Gleiss denkt, dass das herrschende Produktions- und Eigentumssystem sich selbst in Frage stelle und Rufe nach »planwirtschaftlichen Elementen« laut würden. Dies greife die Linke allerdings nicht auf, um das System in Frage zu stellen. »Maßgebliche« Teile der Partei wünschten sich stattdessen, »in die Rolle der Ärztin am Krankenbett des Kapitalismus zu schlüpfen«.

Dem Strategiepapier des Parteivorstands fehle es an Strategie, so Gleiss. Die Linke habe bisher noch nie »ihr Potenzial als einzige grundlegend systemkritische und gleichermaßen rebellische und Protestpartei ausgeschöpft«. Dafür müsse sie auf soziale Bewegungen, aktive Gewerkschafter und die »vielen in ihrem Zorn und ihrer Kritik vereinzelten Menschen« zugehen und zur Partei der »Zuspitzung aller Kritik an den bestehenden Verhältnissen« werden. Die zentrale Aufgabe der Linken sei »Systemopposition«, selbst wenn sie sich einmal an einer Regierung beteilige, so der Bundessprecher der AKL.

Auch den freundlichen Ton gegenüber SPD und Grünen kritisiert er. Die SPD sei »vollends von gestern«, was auch die Nominierung von Olaf Scholz als Kanzlerkandidat beweise. Die Grünen seien heute die Partei, »die den Kapitalismus mehr liebt als alle anderen Parteien«. Sie konkurrierten mit CDU und FDP darum, die politischen Geschäfte der Kapitalklasse zu erledigen. Deswegen verbiete sich eine Koalition zwischen Linken und Grünen »grundsätzlich«.

Zu einer anderen Einschätzung kommt ein Brief von 13 Anhängern des »Reformerlagers« in der Linken. Unter ihnen der Bundestagsabgeordnete Matthias Höhn und die Sprecherin des Forums demokratischer Sozialismus (FdS) Luise Neuhaus-Wartenberg. Sie sind der Meinung, die Linke solle das »Verbindende« zu anderen Parteien mehr in den Vordergrund stellen.

Es sei wichtig zu formulieren, »welche konkreten Schritte hin zu einer besseren Zukunft für alle« man gehen könne, statt potenzielle Bündnispartner scharf zu kritisieren. Die Partei solle ein starker Partner für eine »progressive Bundespolitik« sein. Daran werde sich der »Gebrauchswert« der Partei für die Menschen bemessen. Allgemein solle die Linke sich nicht auf die Rolle des kritischen Fragestellers beschränken, sondern »konkrete Antworten auf die zentralen Herausforderungen unserer Zeit« skizzieren und mit tragfähigen Konzepten untermauern.

Scharf wird im Brief ein Absatz des Strategiepapiers zur Corona-Politik in Deutschland kritisiert, in dem es heißt: »Die Parlamente in Bund und Ländern wurden weitgehend ausgeschaltet zugunsten von Verordnungen und einem Regime angeblicher ›Expertinnen‹ bzw. ›Experten‹.

Die Linke wird sich mit dieser Entdemokratisierung und Entwicklung zum faktischen Dauerausnahmezustand mit Dekreten der Regierung nicht abfinden.« Die Unterzeichner des Briefs halten dies für »inhaltlich falsch«; außerdem rücke die Passage die Partei in eine politische Ecke, »die wir eigentlich als Linke bekämpfen«.

Allgemein wird in dem Brief der »Reformer« betont, was für ein besonderes Wahljahr 2021 ist. Es sei wichtig, die zahlreichen Landtagswahlen in eine Gesamtstrategie einzubeziehen, da sie starke Signale für die Bundestagswahl setzen könnten. Auch müsse beobachtet werden, wer sich im Rennen um CDU-Vorsitz und Kanzlerkandidatur durchsetzt.

Auf einen Mitte-Kurs müsse anders reagiert werden als auf eine nach rechts rückende CDU, wie sie unter Friedrich Merz zu erwarten sei. Die Linke selbst solle »aufgeschobene inhaltliche Fragen« endlich klären, um »aus einem Flickenteppich an Einzelmeinungen zu einem kommunizierbaren Gesamtbild« zu kommen. Dies sei bei den anstehenden Wahlen wichtig. Die Linke müsse ausstrahlen, dass sie Zukunft gestalten will.

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