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Gezerre um ein knappes Gut
Deutschland wird bei der Verteilung der Covid-19-Impfstoffe in der EU offenbar bevorteilt
Wenn die Decke zu kurz ist, ist das Gezerre groß. Das gilt auch zu Beginn der Covid-19-Impfkampagnen in Europa, wo die verfügbaren Mengen recht knapp sind. Vor allem in Deutschland wurde, geschürt von Boulevardmedien, Kritik laut, dass man im Rahmen der EU-Verteilung benachteiligt werde. Gesundheitsminister Jens Spahn geriet auch deshalb zuletzt politisch unter Druck.
Dass der CDU-Politiker hier nicht lautstark widerspricht, sondern an die Geduld der Bürger appelliert, hat einen guten Grund: Für Deutschland hat Spahn über eine nationale Bestellung zusätzliche 30 Millionen Dosen des Impfstoffs von Biontech/Pizer geordert - solche Alleingänge auf Kosten der EU-Partner sollte es eigentlich nicht geben. Auch im Rahmen der EU-Beschaffung, die den Europäern deutlich niedrigere Preise beschert als etwa den USA, kommt man zu gut weg. Vom jetzt zugelassenen Moderna-Impfstoff geht fast ein Drittel nach Deutschland, obwohl hier weniger als ein Fünftel der EU-Bevölkerung lebt. Brüssel begründet das damit, dass einige Länder weniger wollten, als ihnen zustehe. Das hat aber einen Grund: Osteuropäer können sich den teuersten aller Impfstoffe nicht leisten, sie hoffen auf Billigvakzine etwa von AstraZeneca, deren Zulassung in weiter Ferne ist. Ebenfalls fast ein Drittel geht aus einer aktuellen EU-Nachbestellung bei Biontech nach Deutschland. Nachfragen von Journalisten aus Frankreich und Italien, warum dies so sei, ließ Brüssel zunächst unbeantwortet.
Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Auch die EU-Abgeordneten verlangen Einblick in die Details, bisher erfolglos: »Wir können nicht einseitig entscheiden, vertrauliche Informationen aus diesen Verträgen offenzulegen«, sagte Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides am Donnerstag bei einer Anhörung im Parlament. Das gelte zumindest bis zum Abschluss der Verhandlungen. Die französische Grünen-Abgeordnete Michèle Rivasi erwiderte, dies sei inakzeptabel. Es müsse auch im Rahmen der Vertragsabsprachen möglich sein, die für die Bürger relevanten Passagen öffentlich zu machen.
Bevorzugt wird Deutschland auch bei den Herstellern: Bislang wurden die größten Mengen bei Biontech (Mainz) und Curevac (Tübingen) bestellt. Bei letzterer Firma laufen zwar noch die klinischen Tests, aber sie nimmt bereits Kurs auf die Massenproduktion: Am Donnerstag schloss sie einen Kooperationsvertrag mit dem Pharmariesen Bayer. Und da bei Curevac der deutsche Staat über die KfW Anteilseigner ist, wird man bei der Verteilung sicher nicht schlecht wegkommen.
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