Raus aus der Verzagtheit

Die SPD in Sachsen-Anhalt kämpft gegen miese Umfragewerte an. Nach der Landtagswahl hofft sie auf ein progressives Bündnis

  • Max Zeising
  • Lesedauer: 3 Min.

Katja Pähle kennt ihre Gegner gut. Der Fraktionsvorsitzenden der SPD im Landtag von Sachsen-Anhalt kam am Samstag die Aufgabe zu, im Rahmen eines Online-Parteitags den Wahlprogrammentwurf für die Landtagswahl vorzustellen. Bevor sie aber auf die einzelnen Punkte des Entwurfs zu sprechen kam, referierte Pähle, die auch Spitzenkandidatin für die Wahl am 6. Juni ist, über bis dahin zu überwindende Hindernisse. Zum einen: das Corona-Virus natürlich. »Die Überwindung der Pandemie und ihrer vielfältigen Folgen wird in den nächsten Monaten die wichtigste Aufgabe allen staatlichen Handelns sein«, sagte Pähle.

Der andere von Katja Pähle benannte Gegner mochte aus Sicht von Beobachtern etwas überraschender erscheinen: »unsere Verzagtheit«. Die SPD-Frontfrau will sich nicht damit zufriedengeben, dass »derzeit so einige Neunmalkluge unterwegs sind, die schon jetzt glauben zu wissen, dass die nächste Wahl genauso ausgeht wie die letzte«. Stattdessen kämpft Pähle für »Regierungsverantwortung an führender Stelle«. Das mag optimistisch klingen, oder eben illusorisch. Fakt ist: Die SPD steht derzeit in Umfragen bei zehn Prozent. Die Kräfteverhältnisse haben sich zuletzt kaum verschoben.

Man kann Pähle zugutehalten, dass bis zur nächsten Wahl noch viel Zeit bleibt und angesichts einer dynamischen Pandemielage völlig unklar ist, wie sich die politische Situation bis dahin entwickeln wird. Dennoch ist derzeit eine Fortsetzung der Kenia-Koalition mit CDU und Grünen am wahrscheinlichste - wenngleich die Sozialdemokraten andere Konstellationen bevorzugen. Sie beschlossen am Samstag mit fast 100 Prozent Zustimmung ein Wahlprogramm, in dem auf Seite sechs klar formuliert ist: »Wir streben eine progressive Mehrheit anstatt erzwungener Bündnisse an.« Man habe in der Kenia-Koalition zwar »wichtige Erfolge« erzielen können, in anderen Bereichen habe es aber »Stillstand« gegeben. Deshalb solle es nun wieder eine Koalition »nach politischen Übereinstimmungen« geben.

Die Christdemokraten werden an dieser Stelle nicht explizit erwähnt, jedoch ist völlig klar, dass diese von der SPD gewünschten inhaltlichen Überschneidungen wohl eher auf der linken Seite des politischen Spektrums zu finden sind. Insbesondere der Koalitionsstreit über die Erhöhung des Rundfunkbeitrages offenbarte die unterschiedlichen und für Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) kaum zu vereinigenden Weltanschauungen der Bündnispartner. Das Problem ist aber, dass Sachsen-Anhalt derzeit meilenweit von einer progressiven Mehrheit entfernt ist. Rot-Rot-Grün kommt in Umfragen auf gerade einmal ein gutes Drittel der Wählerstimmen.

An anderer Stelle des Wahlprogramms erhalten dann die Konservativen eine umso prominentere Rolle. Die SPD drängt auf »das lange von der CDU blockierte moderne Vergabe- und Tariftreuegesetz«, das sicherstellen soll, dass »öffentliche Aufträge nur an Unternehmen vergeben werden, die sich an Tarifverträge halten«. Außerdem setzen sich die Sozialdemokraten laut Pähle gerade aufgrund der Erfahrungen durch die Coronakrise für Reformen im Gesundheitswesen ein und wollen das DDR-Modell der Polikliniken »darauf abklopfen, was wir davon für eine flächendeckende, hochwertige öffentliche Gesundheitsversorgung nutzen können«.

Aufgrund der weiterhin hohen Corona-Infektionszahlen fand der Parteitag rein digital statt. Katja Pähle, Landeschefin Juliane Kleemann und das Parteitagspräsidium moderierten vom Alten Theater in Magdeburg aus. Die mehr als 100 Delegierten meldeten sich per Video, aus ihren Häusern und Wohnungen - und machten es sich entsprechend gemütlich. Haldensleben-Direktkandidatin Katharina Zacharias folgte dem Geschehen mit Kaffee am Schreibtisch, »während die Kids neben mir auf der Couch sitzen und die Maus schauen«, wie sie auf Twitter berichtete. Der Magdeburger Sozialdemokrat Thomas Opp nahm während des Parteitags sogar ein Vollbad. Kanzlerkandidat Olaf Scholz, der sich in einer Videobotschaft an die Genossen aus Sachsen-Anhalt richtete, war hingegen wie immer adrett gekleidet.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.