»Ich habe Gänsehaut«

Die NYT-Journalistin Lauren Wolfe hat nach einem Tweet zu Joe Biden ihren Job verloren

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 2 Min.

Dürfen Journalist*innen eine eigene Meinung haben? Sie müssen sogar. Ihre Arbeitgeber*innen fordern von ihnen ein, das Weltgeschehen zu kommentieren, meist auf der Meinungsseite einer Zeitung, oft auf der ersten Seite; und online sowieso. Dürfen sie eine Haltung haben und diese auch vertreten? Es ist naiv zu glauben, dass Journalist*innen vollkommen neutral sind. Auch eine FAZ oder eine Tagesschau, die sich gern überparteilich geben, sind von bestimmten Weltanschauungen geprägt.

Darf sich ein Journalist oder eine Journalistin darüber freuen, dass ein die Medien hassender, die Demokratie verachtender, Frauen belästigender krimineller Präsident abgewählt wurde und ein neuer ins Amt berufen wurde? »New York Times«-Journalistin Lauren Wolfe hatte zur Amtseinführung Joe Bidens getwittert: »Ich habe Gänsehaut.« Kurz darauf wurde sie von Journalist*innen der Daily Mail zu Hause aufgesucht, man schrieb einen langen Text über sie, sie erhielt Hassposts mit schweren Beleidigungen und wenig später verlor sie ihren Job bei der »New York Times«. Bei Twitter erhielt sie tausende Solidaritätsbekundungen, viele sehen eine Kampagne von Trump-Anhänger*innen dahinter.

Wolfe hat nach Angaben auf ihrer Homepage als freie Journalistin für liberale Zeitungen und Magazine wie The Atlantic und »Guardian« und »Foreign Policy« geschrieben und sich intensiv mit sexualisierter Gewalt in Syrien auseinandergesetzt. Für die »New York Times« arbeitete sie an drei Buchprojekten zum 11. September 2001 mit. Zuletzt war sie dort der »Times« zufolge freie Redakteurin, also nicht fest angestellt. Sie konnte also nicht gefeuert werden, ihr Arbeitsverhältnis wurde aber gelöst, gibt ihr Arbeitgeber zu.

Die »Times« verbietet es ihren Mitarbeiter*innen per Redaktionsstatut, etwas zu tun, »das den Ruf der Zeitung, strikt neutral über Politik und die Regierung zu berichten, gefährdet«. Die eher Trump-kritische Zeitung behauptet allerdings, Grund sei nicht dieser Tweet gewesen, will sich aus Gründen des Persönlichkeitsrechts aber nicht weiter dazu äußern.

Wolfe selbst beschwerte sich, dass die »Times« sich nicht gegen die Angriffe in anderen Medien und sozialen Netzwerken hinter sie stelle und beklagte, mitten in der Pandemie nun ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen zu können.

Die »Times« erklärte nun, all ihren Mitarbeiter*innen stehe Unterstützung zu, und die habe man auch Wolfe angeboten. Der Vorfall soll weiter aufgeklärt werden.

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