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Hilfe für das Immunsystem
Medikamente gegen Covid-19: Antikörper scheinen hilfreich, sind aber noch im Zulassungsprozess
Die Bundesregierung hat vor wenigen Tagen 200 000 Dosen von zwei Antikörper-Mitteln für insgesamt 400 Millionen Euro erworben. Die Medikamente sollen schwere Verläufe von Covid-19 bei Risikopatienten verhindern. Die Nachricht erinnert daran, dass Tausende Patienten noch auf eine wirksame Therapie gegen die Infektion warten.
Schon ab dieser Woche sollen die neu erworbenen monoklonalen Antikörper in Deutschland als erstem EU-Land eingesetzt werden, noch vor der Zulassung durch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA). Laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) soll das den Universitätskliniken vorbehalten sein. Dazu im Widerspruch steht, dass die Antikörper, in der Frühphase gegeben, vor allem Risikopatienten helfen sollen, einen schweren Verlauf und damit die Behandlung im Krankenhaus zu vermeiden.
Die Anwendung erfolge nach individueller Nutzen-Risiko-Abschätzung der behandelnden Ärzte, so die zuständige Bundesbehörde, das Paul-Ehrlich-Institut. Das Gesundheitsministerium traut diese Einordnung offenbar eher den Medizinern in spezialisierten Krankenhäusern zu. Die Arzneimittel sollen diesen Kliniken kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Es handelt sich um den Antikörper Bamlanivimab, entwickelt vom US-Pharmaunternehmen Eli Lilly, und um die gleichzeitig zu verabreichenden Antikörper Casirivimab und Imdevimab, genannt Regn-Cov2. Die Kombination wurde vom US-Hersteller Regeneron gemeinsam mit dem Schweizer Unternehmen Hoffmann-La-Roche entwickelt.
Das letztere Mittel wird seit dieser Woche von der EMA auf seine Wirksamkeit hin geprüft, und zwar im Rahmen eines Rolling-Review-Verfahrens. Dabei bewerten Experten Daten aus Studien, auch wenn diese noch nicht abgeschlossen sind und noch kein Antrag auf Zulassung gestellt wurde. Das Zulassungsverfahren kann so verkürzt werden. Laut EMA gibt es Hinweise, dass das Medikament die im Blut vorhandene Menge an Sars-CoV-2-Viren reduzieren kann. Für Schlussfolgerungen über das Verhältnis von Nutzen und Risiken sei es aber noch zu früh.
In den USA liegt für Regn-Cov2 bisher erst eine Notfallzulassung der Arzneimittelbehörde FDA vor. Dort darf das Mittel bei Risikopatienten für schwere Covid-19-Verläufe ab zwölf Jahren eingesetzt werden. Laut Hersteller profitierten bisher vor allem Probanden, deren Immunsystem noch keine eigenen Antikörper gegen das Virus gebildet hat. Es sei eher für leichte und mittlere Erkrankungsverläufe angezeigt. Klinikpatienten, vor allem diejenigen, die Sauerstoff benötigen, dürften es nicht bekommen. Dieser Ausschluss basiert auf Ergebnissen klinischer Studien, in deren Verlauf bei Menschen mit fortgeschrittener Infektion ein Zytokinsturm ausgelöst wurde, eine Überreaktion des Immunsystems, die zu Organversagen führen kann.
Ebenfalls eine Notfallzulassung in den USA hat das Mittel Bamlanivimab. Der Hersteller Eli Lilly erprobte den Antikörper unter anderem an Bewohnern und Personal in Pflegeheimen. Eine Studie, die einen möglichen präventiven Nutzen ermitteln sollte, war offenbar erfolgreich: Covid-19 trat weniger häufig auf, und bei bereits Infizierten gab es einen milderen Verlauf.
Auch diesem Produkt liegt ein Antikörper gegen Covid-19 zugrunde, der ursprünglich aus der Blutprobe eines genesenen Patienten stammt. Der Antikörper ist monoklonal, das heißt, dass das Virus an einem fest definiertem Ziel angegriffen wird - in dem Fall das Spike-Protein von Sars-CoV-2. Der Antikörper soll so verhindern, dass das Virus in menschliche Zellen eindringt.
Mit den genannten Medikamenten wird das Immunsystem unterstützt. Es bekämpft jeden viralen Infekt mithilfe von Antikörpern - allerdings benötigt es im Fall des Coronavirus ein bis zwei Wochen, um diese selbst herzustellen. Die zusätzliche Gabe von spezifischen Antikörpern, auch Passivimmunisierung genannt, wird bereits bei Verletzungen angewendet, wenn kein sicherer Tetanus-Impfschutz vorliegt.
Im Fall von Covid-19 ist auch die Übertragung von Rekonvaleszentenplasma als Therapieoption länger im Gespräch. Hierbei geht es ebenfalls darum, Antikörper zu nutzen, und zwar die aus dem Blutplasma einer Person, die die Infektion schon überstanden hat und jetzt immun ist. Die Antikörper in einer solchen Plasmaspende, per Infusion verabreicht, unterstützen dann auch das Immunsystem des Empfängers. Jedoch ist es eher schwierig, das Plasma zu gewinnen, weil potenzielle Spender nach der Infektion zwar einen erhöhten Antikörpergehalt im Blut haben, sich aber erst noch erholen müssen. In dieser Phase nimmt die Zahl der Antikörper aber wieder ab. Zudem wurden bei Covid-19-Patienten nicht immer genug Antikörper gefunden oder solche mit schlechter Wirksamkeit. Deshalb ist es sinnvoll, geeignete Vertreter zu isolieren und sie etwa von Bakterien in großer Zahl produzieren zu lassen.
Bei der Suche nach Wirkstoffen werden auch bereits vorhandene Medikamente auf ihre Eignung zur Behandlung von Covid-19 hin überprüft. Im Laufe des vergangenen Jahres gab es einige große Hoffnungsträger, deren tatsächliches Potenzial aber inzwischen relativiert werden musste.
Bekanntestes Beispiel dafür ist Remdesivir. Das Virostatikum hemmt die virale RNA-Polymerase, ein Enzym, ohne dessen Mitwirkung sich Erbinformation nicht vervielfältigen lässt. Remdesivir wurde ursprünglich zur Behandlung von Ebola entwickelt. Inzwischen ist es bei Covid-19 in der EU mit Einschränkungen zugelassen, einen Nutzennachweis gibt es bei hospitalisierten Patienten aber nur in Bezug auf deren Genesungszeit. Es gibt mehrere Konstellationen, in denen es nicht verabreicht werden darf, darunter bei invasiv beatmeten Patienten, bei Niereninsuffizienz oder einer Leberfunktionsstörung. Eine Senkung der Sterblichkeit durch die Anwendung konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Die Weltgesundheitsorganisation hatte im Oktober sogar verkündet, dass Remdesivir gegen Covid-19 praktisch nutzlos sei, und berief sich dabei auf die Auswertung der großen, von ihr geleiteten Solidarity-Studie. US-Hersteller Gilead hatte schon zuvor vom negativen Ausgang dieser Studie erfahren, aber noch am 8. Oktober mit der EU einen Vertrag über die Lieferung von Remdesivir für eine halbe Million Patienten abgeschlossen, zu einem Preis pro Behandlung von 2070 Euro. Inzwischen wurde bekannt, dass 36 europäische Länder trotz der Studienlage Remdesivir für 220 Millionen Euro geordert haben, darunter Deutschland für 53 Millionen Euro.
Einen eher politisch verstärkten Hype erlebte Hydroxychloroquin, das zur Behandlung von Malaria und bestimmten Autoimmunerkrankungen zugelassen ist. Ex-US-Präsident Donald Trump empfahl es »aus einem Bauchgefühl« und ordnete die Beschaffung von 29 Millionen Tabletten des Medikaments an, dessen Nebenwirkungen vor allem das Herz schädigen können. Die US-Notfallzulassung wurde allerdings nach Vorliegen weiterer Studien schon nach drei Monaten, im Juni 2020, widerrufen.
Einen Zwischenstand der Forschung meldete die internationale Unternehmensberatung Ernst & Young Ende vergangenen Jahres. Demnach wurden Stand Dezember 446 Wirkstoffe klinisch geprüft, 350 davon bereits an Menschen. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Hersteller Amgen, Takeda und UCB die erste Patientenbehandlung im Rahmen einer gemeinsamen placebokontrollierten Studie mit mehreren Wirkstoffen bekannt gegeben, darunter auch ein Antikörper.
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