Muslimfeindlichkeit wächst

Mindestens 901 Straftaten bundesweit registriert

  • Daniel Lücking
  • Lesedauer: 2 Min.

Über 900 gemeldete Straftaten gegen Muslime und ihrer Glaubensstätten werden als deutschlandweite Jahresbilanz für das Jahr 2020 erwartet. Dies geht aus der Antwort auf eine Anfrage hervor. »Morddrohungen gegen Imame und tätliche Angriffe, Steine auf Moscheen, heruntergerissene Kopftücher bei Muslimas oder eine hinterher gerufene Beleidigung - der Hass von in der Regel rechtsextremen und rassistischen Tätern auf Muslime äußert sich auf vielfältige Weise«, führt die Bundestagsabgeordnete und innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion Ulla Jelpke aus. Das Bundeskriminalamt erfasst in der Zentraldatei LAPOS, die ein Lagebild zur Auswertung politisch motivierter Straftaten liefern soll, Delikte, wie Körperverletzung, Beleidigung, Volksverhetzung, Verstöße gegen das Waffengesetz und Sachbeschädigungen. Neben wenigen nicht eindeutig zuzuordnenden Bereichen, wurden nahezu alle Übergriffe des vierten Quartals 2020 dem Phänomenbereich Rechts zugeordnet. Bei diesen deutschlandweit 197 gelisteten islamfeindlichen Delikten wurden zwar immer wieder einzelne Tatverdächtige aufgeführt, Festnahmen aufgrund politisch motivierter Gewalt gab es jedoch nicht.

Lediglich ein Ermittlungsverfahren wurde im vergangen Quartal vom Generalbundesanwalt übernommen. Einem aus Bayern stammenden Verdächtigen wird vorgeworfen, einen Brandanschlag auf Menschen muslimischen Glaubens vorbereitet zu haben. Er hatte auch einen Drohbrief an einen muslimischen Verein übersandt. Im Lichte dieser ernüchternden Ermittlungsbilanz weist Jelpke darauf hin, das die gemeldeten Straftaten nur die »Spitze des Eisberges« seien, da »ein Großteil der leider alltäglichen Beleidigungen, Bedrohungen und auch körperlichen Übergriffe von den Betroffenen aus Scham oder Scheu vor den Behörden gar nicht erst zur Anzeige gebracht wird«.

Das Bundesinnenministerium bezeichnete die Zahlen als Momentaufnahmen. Derzeit gebe es umfangreiche Abstimmungsprozesse in Bund und Ländern, um die Zahlen zu bereinigen, die jeweils bis zum Stichtag 31. Januar erfasst würden. Dieses diene der Vermeidung von Fehlern oder Doppelmeldungen. Eine öffentliche Vorstellung der Zahlen würde erst nach diesen Abstimmungen mit den Ländern stattfinden. Die Linke rechnet für die kommenden Wochen mit weiteren Nachmeldungen von Straftaten, wie in den Vorjahren.

Bei den bislang verzeichneten Taten wurden im vergangenen Jahr 48 Menschen verletzt. 2019 waren 34 Menschen verletzt worden, allerdings auch zwei von ihnen daran gestorben. Die Behörden registrierten den Angaben zufolge 2020 zudem 77 Anschläge auf Moscheen oder Schmierereien und Schändungen dieser Gotteshäuser.

»Die Bekämpfung islamfeindlicher Straftaten ist dem Bundesinnenministerium ein wichtiges Anliegen«. so eine Sprecherin in der Regierungspressekonferenz auf »nd«-Nachfrage. Angesprochen auf konkrete Schutzmaßnahmen insbesondere nach dem Anschlag von Hanau im vergangenen Jahr, verweist das Ministerium auf die Zuständigkeit der Länder.Zu einer gezielten Polizeiarbeit gegen überregionale antimuslimische und islamfeindliche Straftaten gibt es im Ministerium keine Erkenntnisse. Mit Agenturen

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.