Mehrheit für Unabhängigkeitsbefürworter

In Katalonien hat die republikanische Linke erstmals beste Chancen auf die Regierungsführung

Die Frage kam immer wieder während der Pressekonferenzen am Sonntag: »Worauf führen Sie die niedrige Wahlbeteiligung zurück?« Kataloniens Außenminister Bernat Solé hatte virtuell vier Mal geladen, um 9.45 Uhr zum ersten und um 22.30 Uhr zum letzten Mal. Die Frage nach der Wahlbeteiligung beantwortete er immer mit drei zentralen Einflussfaktoren: die Corona-Pandemie an sich; die wegen der Corona-Pandemie vorgeschriebenen Zeitfenster für Wählergruppen, bei denen die besonders gefährdeten Alten als erste von neun bis zwölf Uhr an der Reihe waren; und die Zunahme der Briefwahl um 350 Prozent.

Die Wahlbeteiligung in Katalonien lag über jener im Baskenland und in Galicien, wo im vergangenen Sommer ebenfalls Regionalwahlen während der Pandemie abgehalten wurden, allerdings bei niedrigerer Inzidenz als in Katalonien, wo der Höhepunkt der dritten Welle gerade überschritten scheint. Trotz sinkender Zahlen ist die Lage mit einer 14-Tage-Inzidenz von 458 pro 100 000 Einwohner nach wie vor bedenklich.

Rund 5,6 Millionen Menschen waren zur Wahl aufgerufen. Die Wahlbeteiligung sackte angesichts der Corona-Pandemie auf nur 53,56 Prozent ab, wesentlich weniger als bei der Wahl von 2017, als sie einen historischen Höchststand von 79 Prozent erreichte.

Wie 2015 und 2017 erreichten die drei Parteien aus dem Unabhängigkeitslager eine absolute Mehrheit der Sitze und erstmals auch eine knappe absolute Mehrheit der Stimmen. Insgesamt 74 statt bisher 70 Mandate im 135 Sitze umfassenden Parlament entfallen auf die linkssozialdemokratische Republikanische Linke (ERC), die auf 33 Sitze kam, die liberalkonservative JxCat (Gemeinsam für Katalonien) um den exilierten Carles Puigdemont, die auf 32 Sitze kam, und die linksradikale CUP (neun Sitze). Alle drei Parteien haben kurz vor der Wahl ausgeschlossen, mit der pro-spanischen sozialdemokratischen PSC gemeinsame Sache zu machen - auch die ERC, die in Madrid den sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez immer wieder bedingt stützt.

Sánchez hatte seinen katalanischen Gesundheitsminister Salvador Illa nach Katalonien geschickt. Mit Erfolg: Die PSC lief an erster Stelle ein, kam auf knapp 23 Prozent und 33 Sitze, fast eine Verdoppelung ihres Ergebnisses von 2017. Illa rief Spanier und Katalanen zur Versöhnung auf. »Die Hoffnung ist stärker als die Angst«, sagte er am Wahlabend. Zugleich meldete er Anspruch auf das Amt des regionalen Regierungschefs an.

Illa ist mit seiner Machtambition allerdings nicht allein. Die hat auch der Spitzenkandidat der ERC, Pere Aragonès, geschäftsführend im Amt, seit Quim Torra von der Partei JxCat juristisch kaltgestellt wurde. Aragonès muss nun Laura Borràs von JxCat davon überzeugen, dass Letztere als Juniorpartner für eine Minderheitsregierung zur Verfügung steht. Die CUP wird weiter das Zünglein an der Waage sein - mit mehr Sitzen denn je.

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