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Kennste einen, kennste alle

SONNTAGSSCHUSS: Der Wechsel von Gladbachs Trainer Marco Rose zum BVB sagt mehr über die Branche aus, als der lieb sein kann.

Leipzig gegen Gladbach – da sind meine Sympathien eigentlich klar verteilt. Und dennoch konnte ich mich am Samstag beim Blick aufs Ergebnis nicht so richtig ärgern. 3:2 gewann Leipzig durch ein Tor in der Nachspielzeit. Unter normalen Umständen hätte ich darauf so emotional reagiert, wie sich bei mir Fußballemotionen seit einigen Jahren äußern; mit einem kurzen Kopfschütteln. Diesmal: eher ein bisschen Schadenfreude, als ich das bedröppelte Gesicht von Gladbachs Trainer Marco Rose sah.

Der hatte vor einigen Tagen bekanntgegeben, dass er im Sommer nach Dortmund wechselt und seinen Vertrag in Gladbach nicht erfüllt. In der Branche wird das gemeinhin als »nächster« oder gar »logischer« Schritt gesehen. Und tatsächlich würde man ja wohl keinem Trainer verübeln, dass er ein Angebot aus Dortmund annimmt, wenn er zuvor in Verl oder Rödinghausen gute Arbeit geleistet hat. Endlich Rampenlicht und jeden Monat den Betrag auf dem Konto, den man in der dritten oder vierten Liga erst nach vielen Jahren zusammengeklaubt hat.

Aber von Gladbach nach Dortmund? Sicher wird sich Rose auch hier finanziell verbessern, vielleicht hat er auf zwei, drei Positionen auch (noch) bessere Spieler oder ein Wahnsinnstalent mehr auf dem Sprung nach ganz oben, Youssoufa Moukoko zum Beispiel. Aber ich glaube, das sind gar nicht die entscheidenden Gründe für den Wechsel. Die liegen in dem tief verinnerlichten Ranking, mit dem Spieler und Trainer die Liga betrachten und in dem es Fahrstuhlmannschaften, Mittelklasse, Topclubs und eben die ganz Großen gibt, bei denen man nicht mehr nachdenken muss. Und da liegt die eine Borussia eben einen halben Schritt über der anderen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass Rose auch in seinen Vertrag beim BVB eine Ausstiegsklausel hat schreiben lassen. Für den Fall, dass die Bayern sich melden.

Es gibt da allerdings ein Problem: Auch Rose dürfte in den letzten eineinhalb Jahren seine Spieler ein paar Mal mit Appellen an die Verantwortung gegenüber Fans, Mitarbeitern und Gladbacher Spezifika eingeschworen haben. Seit ein paar Tagen könnte so etwas in den Ohren seiner Spieler ein wenig hohl klingen.

Überhaupt dürfte es für einen Fußballlehrer in Sachen Jobzufriedenheit kaum etwas Besseres geben, als in Gladbach zu landen. Tradition bis zum Abwinken, Fans von der Nordsee bis zu den Alpen, ein sympathisches Image als historischer Widerpart zum FC Bayern. Okay, das alles dürfte für die meisten unter »Folklore« fallen. Dazu aber noch ein Status als stabiler Topclub, der dementsprechend gut bezahlen dürfte. Vor allem aber weiß jeder Trainer, der in Gladbach arbeitet, dass er das mit Max Eberl tun darf, dem dortigen Sportdirektor. Seit 22 Jahren arbeitet Eberl dort, erst als Spieler, dann als Funktionär. Wenn man als Trainer irgendwo nach sachlichen Kriterien beurteilt wird und nicht nach Schlagzeilen, Twitter-Gewittern oder Fan-Parolen, dann unter Eberl.
Es spricht für Eberl, dass er den Weggang des Mannes, dem er den Sprung von einem imagetechnisch irrelevanten Red-Bull-Geschöpf zu einem deutschen Topclub ermöglicht hat, so sachlich kommentiert hat und vor der Kritik aus der Fanszene in Schutz genommen hat. Ein echter Gentleman.

Dabei ist der Ärger der Fans nun wirklich verständlich, auch wenn unter ihnen wohl nicht viele wirklich geglaubt haben, dass Rose sich anders entscheiden würde. Denn als Fan erwartet man insgeheim eben doch, dass mal irgendein Spieler oder irgendein Trainer ähnlich tickt wie man selbst. Ob Fans sich ursprünglich einen Verein aussuchen oder in ihn hineinstolpern, ist irrelevant. Im Laufe der Jahre wird er für sie mit jedem Spiel unverwechselbarer. Er lässt sich irgendwann definitiv nicht mehr austauschen. Trainer und Spieler ticken hingegen in ihrer großen Mehrheit völlig anders.

Ausnahmen bestätigen die Regel. Ich denke da an Florian Kohfeldt, Christian Streich oder Ingo Kahlisch, der seit fast 32 Jahren Trainer bei Optik Rathenow ist. Für die meisten anderen sind die Vereine und ihre Subkultur Nährboden für die eigenen Erfolge, Sprungbretter für den individuellen Aufstieg. Und zwar ganz egal, ob sie nun bei einem Retortenclub oder bei einem Traditionsverein arbeiten. Die Branche besteht zu 95 Prozent aus Retortenpersonal.

Christoph Ruf, Fußballfan und -experte, schreibt immer montags über Ballsport und Business.

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