- Berlin
- Rassismus
Beinbruch zum Feierabend
Ein Straßenmusiker erhebt schwere Vorwürfe gegen Polizei und Security
Malashi Basden kann immer noch nicht so recht fassen, wie es so weit kommen konnte: »Ich wollte nur einkaufen und kam mit einem gebrochenen Bein wieder raus«, sagt Malashi Basden, den alle nur Mike nennen, zu »nd«. Was war passiert? Am 18. Februar ging der Straßenmusiker im Rewe am Kottbusser Tor einkaufen. Weil die Schlange an der Kasse so lang und der 55-Jährige nach einem langen Arbeitstag erschöpft war, setzte er sich auf den Boden, um zu warten. Sofort sei ein Security gekommen, der den Schwarzen US-Amerikaner aufforderte zu gehen. »Er sagte: Du bist obdachlos, wir wollen dich hier nicht, du musst gehen.« Basden, der kein Deutsch spricht, weigerte sich. »Ich habe schließlich nichts gemacht«, sagt er. Daraufhin sei ein weiterer Security dazugekommen und habe ihn rabiat angepackt. Als er sich dagegen wehrte, hätten sie ihn auf den Boden geworfen und das Knie in den Rücken gedrückt.
Als schließlich die Polizei kam, soll es noch schlimmer geworden sein. »Das erste, was sie machten, war, mir Handschellen anzulegen«, berichtet Basden. Die Beamten seien mit ihm in einen Nebenraum gegangen und hätten ihn auf eine Bank gedrückt. »Wo ist dein Pass, fragten sie, dann wurden sie extrem aggressiv, haben die Handschellen enger gemacht und dann hat plötzlich einer der Polizisten mit seinem Stiefel gegen mein rechtes Bein getreten.« Basden, der unter Schock stand, realisierte zunächst nicht, was passiert war. »Als sie meine Identität bestätigt hatten, machten sie mir die Handschellen ab und sagten ich soll abhauen. Erst beim Aufstehen habe ich gemerkt, dass mein Bein gebrochen ist.«
Die Polizei bestätigt gegenüber »nd« den Einsatz im Rewe. Gegen Basden habe der Verdacht der Beleidigung und Körperverletzung bestanden. Eine Atemalkoholmessung bei ihm habe 2,49 Promille ergeben. Der Tatverdächtige habe angegeben, von den Sicherheitsmitarbeitern angegriffen worden zu sein, woraufhin eine Strafanzeige gefertigt worden sei. Als Basden über Schmerzen im Bein klagte, sei ein Rettungswagen angefordert und im Krankenhaus eine weitere Strafanzeige aufgenommen worden. »Der Tatverdächtige und Geschädigte gab bei der Anzeigenerstattung an, dass er Schmerzen im Fuß verspürte, als ihm jemand auf den Fuß trat oder diesen festhielt, während er auf dem Boden des Supermarktes lag. Wer dies war, konnte er nicht angeben«, so die Polizei.
Auch wenn bislang unklar ist, ob nun die Security oder die Polizisten Basden verletzt haben, Fälle wie dieser sind am »Kotti« kein Einzelfall, weiß Biplab Basu von der Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP). »Am Kottbusser Tor gibt es viele Angriffe gegen Migrant*innen und Schwarze Menschen«, sagt er zu »nd«. Sowohl durch brutale Security als auch durch Polizeibeamte. Das hänge auch damit zusammen, dass das Kotti als sogenannter kriminalitätsbelasteter Ort (KBO) gilt. »Die KBO sind eine Kampfansage an Migrant*innen, Schwarze Menschen oder Roma«, sagt Basu. Die KOP fordert daher schon lange die Abschaffung der KBO, die Migrant*innen kriminalisieren und durch die Möglichkeit anlassloser Polizeikontrollen Racial Profiling und Rassismus Tür und Tor öffnen würden. Insbesondere das Kotti sei ein Ort, an dem sich Migrant*innen wohlfühlen würden. »Das ist nicht erwünscht«, glaubt Basu. Also würden Polizei und Security die Menschen vertreiben und schikanieren, bis hin zu tätlichen Angriffen.
Mike Basdens Bein wurde nach dem Angriff zunächst provisorisch mit einer Schiene behandelt. Für eine Operation fehlte Basden, der wie viele US-Amerikaner keine Krankenversicherung hat, das Geld. Also startete er eine Go-Fund-Me-Kampagne. Statt der benötigten 3500 Euro sind inzwischen mehr als 11 700 Euro zusammengekommen. Geld, das der arbeitsunfähige Straßenmusiker in den kommenden Wochen gut gebrauchen kann. Zunächst steht an diesem Mittwoch jedoch erst einmal die Operation an.
Wenn die überstanden ist, will KOP den Afroamerikaner unterstützen, gegen die Beamten vorzugehen. »Polizist*innen gehen brutal gegen Migrant*innen und Schwarze Menschen vor, aber ihnen passiert nichts, weil sie von ihren Vorgesetzten, der Staatsanwaltschaft und den Gerichten unterstützt werden«, kritisiert Basu. »Die Polizei sollte für diese Operation bezahlen«, findet Basden. Obwohl es nicht die erste schlechte Erfahrung ist, die der Schwarze mit der Polizei gemacht hat, hat er allgemein nichts gegen die Staatsgewalt. Jedoch sollten die beiden Polizisten nicht damit davonkommen. »Wenn jemand in Handschellen vor dir sitzt, muss du ihn nicht noch treten. Solche Leute sollten keine Waffe tragen.« Kommentar Seite 11
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!