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Berlin: Brückenberatung mit den Lobbyisten der Magnetschwebebahn
Magnetbahn-Hersteller darf seine Brückenbau-Kompetenz im Abgeordnetenhaus preisen
Der Vertreter des Baukonzerns Max Bögl lobt sein Produkt, die »Modulbrücke Bögl«, in den höchsten Tönen. Bessere Qualität, kürzere Bauzeit, wenige Scherereien mit Genehmigungen dank Vorfertigung und Standardisierung – offenbar die eierlegende Wollmilchsau unter den Brücken. Sein Kollege führt dann noch aus, dass Max Bögl insgesamt »sehr zukunftsweisend unterwegs« sei.
Die Lösung des Baukonzerns wirkt wie die Rettung in einer Zeit, in der der deutsche Sanierungsstau zunehmend für Einschränkungen bei der Infrastruktur sorgt. Gerade ist das mit Dauerstau zu erleben im Autobahndreieck Funkturm.
Nachdem sich ein Riss in der Brücke der A100 Richtung Norden über die Ringbahn unerwartet deutlich vergrößert hatte, ist nur noch eine von drei Spuren frei. Sperrung und Abriss stehen im Raum – ob es so kommt, soll Ende kommender Woche klar sein.
Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit beschäftigt sich der Mobilitätsausschuss des Abgeordnetenhauses am vergangenen Mittwoch mit dem Zustand der Berliner Brücken. Für die A100-Brücke ist allerdings die Autobahn GmbH des Bundes zuständig. Doch von den knapp 900 Brücken in Zuständigkeit der Berliner Verwaltung müssen in den nächsten zehn Jahren auch 120 durch Neubauten ersetzt werden. Geschätzte Baukosten: eine Milliarde Euro.
Es sei schon »äußerst ungewöhnlich«, dass ein Privatunternehmen zu einer Anhörung eingeladen werde, sagt die Grünen-Verkehrspolitikerin Antje Kapek zum Vortrag aus dem Hause Bögl. Und statt sich »irgendwie zum Brückenzustand in Berlin zu äußern«, sei den Abgeordneten eine »Verkaufsschau präsentiert« worden.
Was also liege denn näher, als aus der Praxis innovative, moderne, zeitlich deutlich schnellere und deutlich günstigere Systeme »hier einmal vorstellen zu können?«, entgegnet CDU-Verkehrspolitiker Johannes Kraft im Ton der verfolgten Unschuld. Und will wissen, wie das rechtlich möglich wäre.
Grünen-Fraktionschef Werner Graf will das so nicht stehen lassen: »Dass der CDU im Augenblick noch nicht mal mehr auffällt, dass wir uns hier mehr auf einer Kaffeefahrt befinden, als einer sinnvollen Ausschussberatung, ist für mich schon auch ein bisschen verwunderlich.«
Graf will wissen, ob man dem bayerischen Konzern etwas anderes abnehmen müsse, »weil man vielleicht die Magnetschwebebahn nicht kaufen kann«? Bekanntlich hat sich CDU-Prominenz von Fraktionschef Dirk Stettner bis zur jetzigen Verkehrssenatorin Ute Bonde intensiv für den Bau einer Magnetbahn aus dem Hause Bögl eingesetzt.
Der Linke-Verkehrsexperte Kristian Ronneburg stellt klar, dass die Benennung von Vertretern von Max Bögl erst nach der sonst üblichen Einigung aller Fraktionen auf ein Anzuhörenden-Tableau erfolgt sei.
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Ausschusschef Lars Bocian (CDU) begründet das mit einem Fachkräftemangel der besonderen Art. »Natürlich« seien noch weitere Anzuhörende eingeladen worden, »die aber auch kurzfristig abgesagt haben«. Es habe keinen Widerspruch gegeben.
Damit sind wir wieder beim eigentlichen Thema. »Wenn wir davon ausgehen, dass bisher zu wenig für die Instandhaltung der Ingenieurbauwerke getan wurde, dann wurde auch zu wenig geplant«, sagte vor dem Eklat der dritte eingeladene Experte. Es ist Frank Prietz, Ingenieur und Mitglied der Baukammer Berlin.
Da es »ein Gleichgewicht zwischen Nachfrage und Angebot« gebe, stünden derzeit die Fachkräfte für eine »konzertierte Aktion« nicht zur Verfügung. Würde man jetzt die Anzahl der entsprechenden Studienplätze steigern, wäre man in zehn Jahren soweit. »Denn der Brückenbau ist ein sehr spezieller Biotop.«
Zudem sei es aus eigener Erfahrung in dem Ingenieurbüro, für das er arbeitet, »sehr schwierig, mit den Brückenbauprojekten in die schwarzen Zahlen zu kommen«. Was an den langwierigen Prozessen für Planung, Genehmigung und Mittelfreigabe liege. »Wir haben selber ein Projekt gerade, da haben wir die Planung im Juli abgegeben.« Seitdem habe man nichts mehr davon gehört. »Wir ziehen die Leute dann natürlich ab zu anderen Projekten«, so Prietz.
»Wir können einfach nicht mehr so weitermachen, wie wir in den letzten zehn Jahren die Brücken geplant und gebaut haben.«
Arne Huhn Referatsleiter Brückenbau
Modulbauweisen, wie das von Bögl gepriesene System, gebe es durchaus von anderen Anbietern, versichert Lutz Adam, Leiter der Abteilung Tiefbau in der Senatsverwaltung. Diese sind auch keineswegs neu, gerade in der DDR ist das Prinzip im großen Stil angewendet worden. Allerdings eigne es sich nur bedingt für den Ersatzneubau von Brücken im städtischen Kontext. Wegen der zahlreichen Leitungen, die untergebracht werden müssen und fehlender Freiflächen für die Vor-Ort-Montage der Module.
»Wir können einfach nicht mehr so weitermachen, wie wir in den letzten zehn Jahren die Brücken geplant und gebaut haben«, unterstreicht Arne Huhn, Leiter des Brückenreferats in der Mobilitätsverwaltung. Spätestens seit 2020 habe man sich auf den Weg gemacht, was bereits Erfolge zeitige. Beim Neubau der Mühlendammbrücke sei man »schnell in die Bauausführung gekommen«, beim Marzahner Knoten lief zudem auch die Planung schnell.
»Wir bewegen uns in die richtige Richtung«, sagt Huhn. Doch man brauche »den Spielraum, um ins Bauen und ins Planen und Umsetzen zu kommen«. Was dafür geschehen muss, wird derzeit in einem »Masterplan Brücken« aufgeschrieben. »Spätestens Mitte des Jahres« soll er vorliegen.
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