Einsam im Nordatlantik - und einsam an der Spitze

Konsequente Teststrategie und großes Vertrauen der Bevölkerung machen Island zum Spitzenreiter bei der Corona-Bekämpfung in Europa

  • Freyr Gígja Gunnarsson und Steffen Trumpf, Reykjavik
  • Lesedauer: 3 Min.

Island ist Europas Antwort auf Neuseeland, und das gilt seit Kurzem nicht nur wegen seiner grünen Landschaften und Naturwunder. Wie die Insulaner auf der anderen Erdseite haben auch die Isländer die Coronavirus-Pandemie so gut in den Griff bekommen wie nur wenige andere Länder. Dass das Wikinger-Völkchen mit seinen niedrigen Neuinfektionszahlen derzeit unangefochtener Klassenbester in Europa ist, hängt wie bei nicht nur mit der isolierten Lage zusammen.

»Unser Kampf gegen die Pandemie ist besser gelaufen, als wir vielleicht erwartet haben«, sagt Islands Ministerpräsidentin Katrín Jakobsdóttir gegenüber dpa. Der isländische Weg mit umfassenden Corona-Schnelltests, einer konsequenten Kontaktverfolgung sowie strengen Quarantäne- und Isolationsregeln habe womöglich bessere Resultate gezeigt als die strikten Maßnahmen anderer Länder.

Diese Strategie schlägt sich in äußerst niedrigen Neuinfektionszahlen nieder. Nach einem Höchststand Mitte Oktober sind die Werte rapide gesunken. Abgesehen von einigen wenigen positiven Tests bei Reisenden nach ihrer Ankunft hatte Island zuletzt gleich sechs Tage am Stück ohne inländischen Coronafall erlebt.

Mit gerade einmal 6,59 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in den ersten beiden Februarwochen sucht Island bei den Vergleichszahlen des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) seinesgleichen. Selbst die Fallzahlen der anderen Nordeuropäer Norwegen (66), Finnland (88) und Dänemark (100) - hinter Island die Staaten mit den derzeit niedrigsten Zahlen unter den EU-Mitgliedern und assoziierten Ländern - liegen um ein Vielfaches höher. Islands Todesfälle bei Corona-Infektionen in dem Zeitraum: null.

Nun kann man anführen, dass Island mit seiner isolierten Lage im Nordatlantik einen klaren Vorteil hat und sich nur bedingt mit größeren Ländern Europas vergleichen lässt. Der Erfolg gründet aber nicht bloß in der Lage und Größe des Landes, sondern auch im strikten Vorgehen, Tests, Kontaktverfolgung und einem hohen Grad an Vertrauen der Bevölkerung in die Experten.

Selbstredend sind die Grenzkontrollen für Island deutlich einfacher als für andere: Deutschland grenzt an neun Länder und hat mehrere internationale Flughäfen; Island erreicht man fast ausschließlich über den Flughafen bei Reykjavik. Wer einreist, muss seit einigen Tagen einen maximal 72 Stunden alten negativen PCR-Test vorlegen. Hinzu kommen ein Coronatest bei der Ankunft, fünf bis sechs Tage Quarantäne und ein weiterer Test im Anschluss daran.

Die Quarantäne ist ohnehin ein wichtiger Baustein der isländischen Corona-Strategie: Jeder, der mit einem Infizierten Kontakt hatte, muss sie über sich ergehen lassen. Zum Vergleich: Bislang sind etwa 6000 Menschen auf Island positiv auf das Coronavirus getestet worden - knapp 46 000 waren vorübergehend in Quarantäne.

Und dann wäre da noch das Vertrauen in die Experten. Chef-Epidemiologe Thórólfur Gudnason, Zivilschutz-Leiter Vidir Reynisson und Gesundheitsdirektorin Alma Möller werden gerne als »Dreifaltigkeit« bezeichnet. Trotz der strikten Beschränkungen des öffentlichen Lebens haben die meisten Isländer deren Vorgaben befolgt. Dafür wurden sie mit gewissen Lockerungen belohnt: Kneipen durften letzten Monat wieder öffnen, im Fußballstadion, Theater und Kino sowie bei weiteren Sport- und Kulturveranstaltungen sind wieder bis zu 200 Zuschauer erlaubt. Schwimmbäder und Fitnessstudios dürfen nun bis zu 75 Prozent ihrer maximalen Auslastung erreichen.

Epidemiologe Gudnason betonte erst kürzlich, dass eine weitere Lockerung langsam und behutsam vor sich gehen müsse. »Das Letzte, was ich empfehlen werde, ist, dass die Leute ihre Maske abnehmen«, so der Wissenschaftler. Reisende nach Island dürften sich aber von Test und Quarantäne befreien lassen, wenn sie eine überstandene Corona-Infektion oder auch eine Impfung gegen Covid-19 nachweisen können. dpa/nd

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