Lieferkettengesetz ohne Haftung
Ab 2023 sollen bestimmte Sorgfaltspflichten für Unternehmen gelten
Nach monatelangem Tauziehen hat das Bundeskabinett am Mittwoch ein Lieferkettengesetz beschlossen. Demnach sollen größere Firmen künftig mehr auf die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutz bei Zulieferern im Ausland achten. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) sprach von »einem guten Kompromiss zum Schutz der Menschenrechte in unseren Lieferketten«. Das Gesetz werde »Wirkung erzielen«.
Laut dem Entwurf soll es ab 2023 für die etwa 600 großen Firmen mit mehr als 3000 Beschäftigten gelten, ab 2024 für insgesamt knapp 3000 Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten. Müller und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wollten deutlich mehr einbeziehen, scheiterten aber am Widerstand von Unternehmensverbänden und von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Die verlangte Sorgfaltspflicht soll für das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit, für die Einhaltung von Arbeits- und Umweltstandards sowie faire Löhne gelten. Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften mit Sitz in Deutschland können künftig bei Menschenrechtsverletzungen im Ausland vor deutschen Gerichten klagen, wenn die Opfer zustimmen. Ansonsten prüft die staatliche Ausfuhrkontrollbehörde BAFA die Einhaltung und kann bei Verstößen gegen die Sorgfaltspflicht Zwangs- und Bußgelder bis zu 500 000 Euro oder bis zu zwei Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes verhängen.
Allerdings soll es keine zivilrechtliche Unternehmenshaftung und Entschädigungsansprüche der Opfer von Umweltverschmutzung oder Ausbeutung geben. Daher rügen Hilfsorganisationen und Kirchen, die seit langem ein Lieferkettengesetz fordern, die jetzt gefundenen Regelungen. »Das Wirtschaftsministerium hat das Lieferkettengesetz erfolgreich verwässert und den ursprünglichen Entwurf abgeschwächt«, kritisiert Hannah Pilgrim, Sprecherin des Arbeitskreises Rohstoffe, dem mehr als 40 Nichtregierungsorganisationen angehören, gegenüber »nd«. »Damit sendet Deutschland falsche Signale an die Weltgemeinschaft«. Ferner wird kritisiert, dass die Sorgfaltspflichten nur für die direkten Zulieferer gelten. Umweltverbände wiesen darauf hin, dass Umweltschäden »nur marginal« berücksichtigt würden.
Trotz der schwachen Regelungen grummelt die Wirtschaft: Vor einem »Bürokratiemonster« sprechen Lobbyverbände. Der Gesamtverband der Textil- und Modeindustrie, kritisierte »unbestimmte Rechtsbegriffe und die Weitergabe der Pflichten innerhalb der industriellen Wertschöpfungsketten«.
Das Gesetz muss noch vom Bundestag beschlossen werden. Mit größeren Änderungen ist da kaum zu rechnen. Allerdings könnte von der EU Druck kommen. Justizkommissar Didier Reynders hat angekündigt, bis Juni einen weitergehenden Vorschlag für ein europäisches Lieferkettengesetz mit einer zivilrechtlichen Haftung einzubringen. Allerdings muss auch der Ministerrat grünes Licht geben - und hier kann wieder die Bundesregierung dazwischenfunken. Seiten 8 und 15
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