- Kultur
- Alleinerziehende Väter
Überforderung und Selbstmitleid
Die RBB-Serie »Mapa« macht etwas Beispielloses unterhaltsam: einen alleinerziehenden Vater
Alleinerziehende sind hierzulande bekanntlich Frauen. Von 2,6 Millionen Eltern ohne Partner sind 85 Prozent Mütter. Um Väter ohne Partnerin zu finden, muss man lange suchen auf dem Spielplatz - oder ersatzweise »Mapa« sehen. Phonetisch ein Mix aus Mama und Papa, leistet die Titelfigur der RBB-Serie, Metin Müller, die ganze Erziehungsarbeit. Und so fröhlich der Titel auch klingt: Es ist eine Melange von Entsagung, Hingabe und Trübsal, Einsatz, Bitterkeit und Liebe.
Nachdem seine Freundin Emma (Lia von Blarer) kurz nach Lenas Geburt plötzlich an einem Hirnaneurysma gestorben ist, kämpft sich der junge Drehbuchautor (Max Mauff) durch ein urbanes Dickicht aus Vorurteilen, aber auch Hilfsbereitschaft seiner Mitmenschen. Alleinerziehende Väter sind in der Mehrheitsgesellschaft eben weder vor- noch angesehen. Weibliche Normalität und männlicher Ausnahmezustand in Personalunion eines überforderten Mittzwanzigers: Nicht nur nach Unterhaltungsmaßstäben ist die Idee von Headautor Alexander Lindh beispiellos.
Es wäre angesichts der vielen Beispiellosigkeiten der Serie allerdings unfair, die ungewöhnliche Geschlechteraufteilung gesondert hervorzuheben. Praktisch nichts am Format von Joyn+, das der koproduzierende RBB am Wochenende ausstrahlte und das jetzt in der ARD-Mediathek verfügbar ist, folgt einer bekannten Konstellation des Familienprogramms. Es beginnt schon damit, dass sich die Hauptfiguren - ohne gleich hässlich zu sein - den Attraktivitätskriterien melodramatischer Serien vollständig entziehen.
Es setzt sich damit fort, dass emotionale Reaktionsmuster insofern außer Kraft gesetzt werden, als niemand im Dienst der Fiktion, sondern allenfalls der Wirklichkeit handelt. Und es endet noch lange nicht damit, dass die sechs Mal 30 Minuten nirgendwo hin-, sondern einfach sein wollen wie das Leben. Oft schön, irgendwie ohne Ziel, ohne Plan. Das Grandiose an dieser klugen Serie ist, Gefühlslagen nicht zu inszenieren.
Sie mäandern eher durch die Seelen der Protagonisten und zeigen dem Publikum mit großem Gespür für Wahrhaftigkeit und Timing, wie weit wir noch von wahrer Gleichberechtigung in alle Richtungen entfernt sind. Wenn Metin eine Frau, die ihm beim Runtertragen des Kinderwagens erst am Fuß der Treppe helfen will, mit »nee, ich hätte mich nicht in meiner Männlichkeit verletzt gefühlt« anpampt und »jetzt ist auch zu spät« hinterherschiebt, zeigt sich, wie zäh Stereotype vom starken Mann sind. Wenn Metin seinerseits die Unterstützung jener, die ihn wie seine Mutter (Lina Wendel) innig lieben, regelmäßig brüsk ablehnt, ist er allerdings ein Gefangener derselben Stereotype.
Doch weil sich Regisseur Jano Ben Chaabane nicht auf die Zeit nach Emmas Tod beschränkt, erzählt uns »Mapa« nebenbei auch viel übers Familienleben selbst. In Rückblicken ist nämlich bereits die kurze Zeit zu dritt von Spannungen, Schlafentzug und Streit, also Dauerstress, geprägt, den Mama und Papa aneinander auslassen, bevor sie in Gestalt Metins zu Mapa verschmelzen. Fortan liegt die doppelte Last auf der halbierten Anzahl Schultern, weshalb er schon an der Begräbnisvorbereitung scheitert und sich fortan im Schneckenhaus verkriecht.
Diesen Teufelskreis aus Isolation, Überforderung und Selbstmitleid spielt der gereifte Kinderstar Max Mauff in seiner Heimatstadt Berlin mit einer implodierenden Selbstkontrolle, dass es zuweilen schmerzt, ihm dabei zuzusehen. Zugleich aber wehrt er sich mit einer so drolligen Sturheit gegen die Aufmunterungsversuche seiner Umgebung, dass »Mapa« auch leichte Momente hat. Ärgerlich an der »Sadcom« ist nur zweierlei: Zum einen, dass die Gesellschaft ein wenig zu familienfeindlich wirkt; niemand drängelt sich vorm Kinderwagen in den Bahnsteigaufzug und lacht dazu dreckig. Zum anderen, dass Joyn sich weigert, eine Fortsetzung zu drehen. Zu wenig Abrufe. Ein Mapa als Serienheld hätte mehr Fürsorge verdient.
»Mapa«, in der ARD-Mediathek
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