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Der Spuk ist noch nicht vorbei
Allerorten herrscht Jubel über das Ende der Super-League-Pläne in Europas Fußball. Doch der könnte verfrüht sein
Es hatte nicht einmal 48 Stunden gedauert, da war die Super League schon wieder Geschichte. Zu massiv waren die europaweiten Proteste gegen den Plan, eine eigene Liga aus einem Dutzend Großvereinen zu bilden. Sage und schreibe dreieinhalb Milliarden Euro hatte die US-Investmentbank JP Morgan den zwölf teilnahmewilligen Großklubs in Aussicht gestellt - allein als Startkapital.
Es wäre ohnehin naiv gewesen zu glauben, dass solche Unsummen nicht noch durch die Verbindlichkeiten zu überbieten wären, die viele jener Großklubs vor allem durch die horrenden Gehaltszahlungen an ihre Stars angehäuft haben. Juventus Turin (450 Millionen), der FC Barcelona (1,2 Milliarden) und Real Madrid (900 Millionen) sind hier besonders abschreckende Beispiele. Da nehmen sich die Verbindlichkeiten des ersten designierten Bundesliga-Absteigers FC Schalke 04 (rund 250 Millionen Euro) fast schon bescheiden aus. Es ist also nicht verwunderlich, dass diese drei Klubs aus Italien und Spanien jene waren, die am längsten an der Idee festhielten. »Wenn ich das Zitat von Herrn Perez höre, der Plan sei alternativlos, weil es 2024 diese Vereine wegen Corona nicht mehr geben würde, dann weiß ich nicht, ob das jetzt der Klub der Superreichen ist oder der Klub der Super-Verschuldeten«, sagte Mönchengladbachs Sportdirektor Max Eberl zu Recht. Und Dortmunds Trainer Edin Terzic forderte, es dürfe »nicht passieren, dass Fans durch Zuschauer ersetzt werden«. Es waren starke Worte, die im Fall von Terzic und Eberl auch ihrer wirklichen Überzeugung entsprechen dürften.
Fraglich ist allerdings, ob der BVB und der FC Bayern München auch noch in einigen Jahren standhaft bleiben, oder ob sie der Versuchung irgendwann doch nachgeben, nach den Unsummen zu greifen, die auch künftig ausgelobt werden dürften, wenn sich eine separate europäische Liga gründet, die nach Meinung vieler Beobachter durchaus das Potenzial zum globalen TV-Magneten hätte. Vereine wie Real Madrid, FC Liverpool, Barcelona, Paris St. Germain, aber auch der FC Bayern sind längst zu weltweiten »Marken« geworden, deren Fanartikel auf allen Kontinenten gekauft werden. Im Zuge der »Football Leaks«-Recherchen wies der »Spiegel« dann auch nach, dass sich die Bayern zumindest bis zum Jahr 2016 ausführlich mit der Super League beschäftigt hatten. Derzeit werden solche Pläne allerdings nicht weiterverfolgt.
Und doch hatte der »kicker« recht, als er am Donnerstag den vielstimmigen Jubel über das Ende der Super League ausbremste und die Frage aufwarf, ob »der Spuk« denn wirklich »vorbei« sei. Für die wichtigsten Fanbündnisse wie Unsere Kurve oder »Football Supporters Europe« steht die Antwort darauf schon fest. »Die Super-League-Pläne waren nur die Spitze des Eisbergs«, heißt es in einer Stellungnahme von Unsere Kurve: »Die großmütigen Worte von Uefa, DFL, DFB und Vereinen« seien heuchlerisch. Denn auch sie hätten »in den letzten Jahren alle Maßnahmen für den Ausverkauf des Fußballs getroffen, statt einen sportlich fairen und integren Wettbewerb zu fördern. Sie stellen Gewinnmaximierung in den Vordergrund, statt den Fußball gesellschaftlich zu verankern«, kritisierte die Fan-Organisation den europäischen und deutschen Fußballverband sowie die Deutsche Fußball-Liga (DFL).
Tatsächlich ist es erstaunlich, wie einstimmig der Chor all derer ausfiel, die die Super-League-Pläne als Kommerzexzess geißelten und dabei das Hohelied auf einen sportlich fairen Wettbewerb sowie den Volkssport Fußball im Allgemeinen sangen. Dabei reicht schon ein Blick auf die Protestierenden in England, um sich daran zu erinnern, wie weit sich auch viele nationale Ligen schon von ihrer einstigen Basis entfernt haben. Wer die Bilder aus Liverpool, Manchester oder London sah, blickte auf protestierende Fans, die vor Stadiontore zogen, die sich für sie auch im Ligaalltag längst nicht mehr öffnen. Weil sie sich die horrenden Ticketpreise nicht mehr leisten können, schauen sie die Spiele ihrer Mannschaften im Pub an, während der nationale und internationale Jetset in den gentrifizierten Stadien freudig applaudiert, wenn ein Tor fällt.
Da passt es gut ins Bild, dass jene Uefa, die die Super League verdammte, im Windschatten der Proteste eine »Reform« beschloss, die den Interessen der mächtigen Klubs entgegenkommt, die Vertreter der kleineren Ligen aber weiter benachteiligt. Die Meister aus der Türkei, Österreich, Dänemark, Schottland oder Tschechien haben weiterhin keinen direkten Champions-League-Startplatz, die deutsche Bundesliga aber gleich vier. Mehr Spiele wird es trotzdem künftig geben - und damit vor allem wieder mehr Einnahmen für die Großen.
Immerhin: Trainer wie Freiburgs Christian Streich (»Es heißt, sich auch in Zukunft dagegen zu wehren«) oder Florian Kohfeldt machen es sich nicht so einfach, mit dem einstweiligen Dahinscheiden der Super League auch die Turbo-Kapitalisierung des europäischen Fußballs für beerdigt zu erklären. »Auch bezüglich der Champions-League-Reform lehne ich jegliche Form von Teilnahme an Wettbewerben und Generierung von Geld ab, die nicht über einen sportlichen Weg entstanden sind«, sagt der Bremer Trainer. »Das ist komplett gegen den Sinn dieses Spiels, denn dann ist es ein Showgeschäft.«
So sehen es auch die Fanorganisationen. Sie prognostizieren, dass die Chefs der nationalen und europäischen Ligaverbände auch künftig die Expansionspläne der Großklubs als Vorwand nehmen werden, um ihre Pläne voranzutreiben, die in die exakt gleiche Richtung gehen wie die Super League: »Sie werden uns ab sofort alle weiteren faulen Kompromisse mit sogenannten Top-Klubs als Rettung des Fußballs verkaufen«, schreibt Unsere Kurve: »Das Motto wird sein: Schluckt diese Pille, denn sonst gründen sie dieses Mal wirklich eine Super League.«
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