Regierungsbeteiligung als oberstes Ziel

Sachsen-Anhalts Grüne beschließen ihr Programm für die Landtagswahl und blicken optimistisch nach vorn. Doch eine Fortsetzung der Kenia-Koalition ist fraglich

  • Max Zeising
  • Lesedauer: 4 Min.

Cornelia Lüddemann huschte ein zartes Lächeln über die Lippen. »Für einen Grünenparteitag haben wir relativ wenig Änderungsanträge zu verhandeln«, sagte die Spitzenkandidatin für die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt, als sie am Samstagmorgen am Rednerpult im Maritim-Hotel in Magdeburg stand. Die seit fünf Jahren mit CDU und SPD regierenden Grünen kamen zu einem digitalen Parteitag zusammen, um - als letzte aller großen Parteien - ihr Programm für die Wahl am 6. Juni zu beschließen. Die Delegierten waren größtenteils über das Internet zugeschaltet, vor Ort war wegen der Corona-Pandemie neben dem Tagungspräsidium und einigen Wenigen nur das bekannte Spitzentrio anwesend, bestehend aus Lüddemann, Landeschef Sebastian Striegel und Umweltministerin Claudia Dalbert.

Gewiss: Zu den Klischees gehört, dass Grüne gern diskutieren. Doch der vergleichsweise geringe Gesprächsbedarf könnte auch noch auf einen anderen Umstand hinweisen: Die Grünen sind aktuell mit sich selbst recht zufrieden, im Bund wie im Land. Die Kanzlerkandidatur von Annalena Baerbock hat der Partei einen ordentlichen Schub verpasst, auch in Sachsen-Anhalt zeigt die Kurve nach oben: In der aktuellen Umfrage von Infratest Dimap stehen die Grünen bei elf Prozent, das sind 5,8 Prozent mehr als bei der Landtagswahl 2016. Von allen relevanten Parteien legen die Grünen derzeit am deutlichsten zu, auch - und das ist bemerkenswert - im ländlich geprägten Ostdeutschland, wo sie traditionell immer größeren Widerständen ausgesetzt waren als beispielsweise in westdeutschen Großstädten. Entsprechend optimistisch blicken die Grünen nach vorn, auf die Landtagswahl am 6. Juni und sind fest entschlossen, weiter regieren zu wollen.

Mit Blick auf die durchaus zählbaren Erfolge in der ablaufenden Legislaturperiode - etwa die Einrichtung des Streifens entlang der ehemaligen DDR-BRD-Grenze als Nationales Naturmonument - sagte Umweltministerin Dalbert: »Dieses Kapitel unserer Politik werden wir mit Herzblut fortschreiben, auch gegen den Widerstand von Koalitionspartnern.« Landeschef und Innenpolitiker Striegel ergänzte: »Wir werden weiter Verantwortung übernehmen für ein Sachsen-Anhalt, das spätestens 2035 klimaneutral ist. Wir werden weiter verlässlich regieren.«

Diese Unbedingtheit mag verschiedene Gründe haben. Die neue Umfrage zeigt zwei Dinge: einerseits starke Grüne - aber andererseits auch eine erstarkte FDP, die der CDU neue Koalitionsoptionen eröffnet. Das Absurde: Zwar sind es die Grünen, die aufgrund ihrer Zugewinne die Kenia-Koalition stabilisieren - doch am Ende könnten sie es sein, die von der CDU hinausgeworfen werden. In diesem Zusammenhang lassen sich die Aussagen des Grünen-Spitzentrios auch als Getriebenheit deuten, sich als besonders verlässlich, also regierungstauglich zu präsentieren.

Eines ist klar: Der Kampf um die Macht und damit die Umsetzung grüner Inhalte wird in Zukunft noch schwerer. Auch die auf dem Parteitag am Samstag gefassten Beschlüsse dürften es nicht leicht haben, in der direkten Auseinandersetzung mit der CDU zu bestehen. Da wäre zunächst der Beschluss, zur weiteren Bekämpfung der Corona-Pandemie eine Niedriginzidenz-Strategie zu verfolgen. Im Antragstext, den Co-Landeschefin und Krankenpflegerin Susan Sziborra-Seidlitz aus dem Homeoffice vorstellte, begrüßen die Grünen die »Bundesnotbremse« grundsätzlich, fordern aber weitergehende Maßnahmen, etwa im Wirtschafts- und Berufsleben. Zweiter Beschluss: Die Grünen wollen das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie in der Hand behalten und nicht thematisch aufteilen, während die CDU das Ressort - wie im Wahlprogramm vermerkt - ebenfalls für sich beansprucht.

Als Drittes hinzu kommt das am Ende des Parteitags beschlossene Wahlprogramm, in dem die Bekämpfung des Klimawandels und eine bürgerrechtsorientierte Innenpolitik - im Gegensatz zum konservativen »Law and Order«-Prinzip - klar im Fokus stehen: Die Grünen wollen ein Klimaschutzgesetz beschließen und damit »zielgerichtete Rahmenbedingungen schaffen, damit konkrete Maßnahmen zum Erreichen von Klimaneutralität zügig und von allen Ministerien und Behörden umgesetzt werden«. Ebenso streiten sie für ein Landes-Antidiskriminierungsgesetz nach Berliner Vorbild.

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