Warteraum Kultur

Schauspieler weisen auf ihr Los in der Pandemie hin - und ernten Empörung

Die Vorsicht, mit der die vielzähligen Diskussionen um ein Recht auf Schutz der Gesundheit einerseits und das auf Teilhabe am kulturellen Leben andererseits öffentlich geführt werden, ist augenscheinlich. Wer sich morgen geöffnete Theater wünscht, muss schon an die Notbremse übermorgen denken. Wer »Öffnungsstrategie« sagt, muss zumindest das Wort »umsichtige« davorsetzen. Wer Kunst will, soll sich demütig zeigen - und geduldig.

Unter dem Hashtag »allesdichtmachen« haben prominente Schauspieler aus Theater, Film und Fernsehen - von Jan Josef Liefers und Nadja Uhl bis Ulrike Folkerts - Satirevideos ins Internet gestellt. In ironischen Danksagungen an Bundesregierung und Medien werden überspitzt die Absurditäten der Coronapolitik dargestellt. Man wolle Danke sagen für Alarmismus und kulturellen Shutdown.

Das kann man politisch fragwürdig finden, den etwas müden, vielleicht sogar platten Humor kritisieren oder die Videos auch für geschmacklos erachten. Dass jetzt aber die Kritik an einer restriktiven Kulturpolitik im Zeichen des Infektionsschutzes bei Unantastbarkeit des Arbeitsregimes als nicht hinnehmbarer Zynismus gebrandmarkt wird und auch mediale Proteststürme nicht ausbleiben, ist verblüffend. Der Moralismus, der aus den Reaktionen spricht, kennt keine Grenzen. Das spiele der AfD in die Hände, heißt es. Derartig strategisches Denken im Umgang mit Rechtsaußen wäre allerdings etwas vollkommen Neues. Dass nicht nur die Schauspielerin Heike Makatsch ihren Videobeitrag für die satirische Kunstaktion bereits wieder gelöscht hat, dürfte jedenfalls die AfD in ihrem Glauben an die Unfreiheit im Land eher bestärken.

Die allesdichtmachen-Videos, insgesamt rund 50 Kurzbeiträge, wurden am vergangenen Donnerstag veröffentlicht und zogen im Internet schnell weite Kreise. Zum rechten Zeitpunkt, sollte man meinen, wurde doch am Vortag bekannt, was man sich konkret unter einer Bundesnotbremse vorzustellen hat: Nur wenn die Inzidenzwerte fünf Tage in Folge 100 Infizierte pro 100 000 Einwohner unterschreiten, ist an Kulturveranstaltungen - ob drinnen oder draußen spielt entgegen anderslautender Empfehlungen keine Rolle - überhaupt zu denken. So soll es mindestens bis Ende Juni gehandhabt werden. Wer jetzt noch an einen baldigen Kino- und Theaterbesuch glaubt, wird schon bald eines besseren belehrt werden.

Schauspieler machen auf eine missliche Lage aufmerksam, unabhängig davon, ob politische Alternativen gerade angemessen oder auch nur möglich scheinen. Wer dafür nur Empörung übrig hat, verkennt, dass sich hier Künstler lediglich mittels Kunst wehren. Mit dem banalen bis wirklich zynischen Argument, andere Personen seien von der Pandemie weitaus stärker betroffen, wird nichts geklärt und niemandem geholfen. Tatsächlich stehen die berühmten Vertreter der Schauspielzunft auch Pate für die weniger bekannten Darsteller, die nun temporär nicht vor der Kamera oder auf der Bühne Platz finden und - schlimmer noch - den noch zu erwartenden Etatkürzungen im Kulturbereich in Folge der Pandemie zum Opfer fallen werden.

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