Lebenslang ein treuer Begleiter
Trinkmuster der Jugend setzen sich auch in Dänemark im Alter fort - Politiker und Ärzte sind gefordert
Der neueste Film von Thomas Vinterberg »Der Rausch« (Druk) lockte binnen vier Wochen mehr als eine halbe Million Dänen in die Kinos. Abgesehen von der künstlerischen Qualität, für den er den Europäischen Filmpreis und einen Oscar erhielt, war es das Thema, das die Zuschauer anzog und in dem viele sich spiegeln konnten - Alkoholgenuss, das unmerkliche Umschlagen in Missbrauch und die Folgen. Der Film macht gnadenlos klar, dass übermäßiger Alkoholkonsum in Dänemark ein ernsthaftes gesellschaftliches und generationsübergreifendes Problem ist.
Die Mehrheit der Jugendlichen startet ihre Alkoholkarriere nach einer neueren Studie typischerweise kurz nach der Konfirmation, also mit 14 Jahren, gut ein Viertel schon mit etwa 12 Jahren. Fast die Hälfte aller Schüler der 9. Klasse hat in Untersuchungen angegeben, mehrmals innerhalb eines Monats betrunken gewesen zu sein. Mit dem Übergang zum Gymnasium oder in die Lehre steigert sich der Konsum noch kräftig, sowohl in der Menge wie in der Frequenz. 2018 wurden 1700 junge Leute mit Alkoholvergiftung in Notaufnahmen gebracht. Zwischen 2014 und 2018 starben sogar 28 Jugendliche daran. Eine Studie des dänischen Ärzteverbandes suchte nach Gründen und Vorbeugungsmaßnahmen vor allem gegen Exzesse. Die Antwort der Jugendlichen auf die Frage nach ihren Gründen für den Konsum von Alkohol war etwas überraschend. Es ging ihnen weniger um den Rausch als um das Bedürfnis nach Geselligkeit und Beisammensein. Dabei darf der Gruppendruck nicht unterschätzt werden. Bedingt durch den Corona-Lockdown hätten sie aber weitaus weniger getrunken als zuvor.
Da Getränke mit einem Alkoholgehalt von bis zu 16,5 Prozent leicht zugänglich sind, arten Geselligkeiten rasch aus. Für die Prävention könnte Schottland als Vorbild dienen, wo Mindestpreise für Alkoholika festgelegt wurden. Dadurch verschwanden die billigsten Getränke, die oft von Jugendlichen getrunken werden. Dänische Ärzte fordern eine Altersgrenze von 18 Jahren für den Alkoholkauf. Aufklärung ist notwendig, doch jede Drohung in diesem Zusammenhang wirkt eher kontraproduktiv. Deshalb suchte die Studie nach Beispielen aus dem Alltag, wie Alkoholkonsum vermieden werden kann. Dazu gaben Gymnasien an, dass beispielsweise Bühnenaufführungen erst spät an Festabenden angesetzt werden, weil die Beteiligten dafür nüchtern bleiben müssen. Andere teilen Feste nach Klassenstufen ein, damit die jüngsten Schüler nicht die Festgewohnheiten der Älteren kopierten.
Alkoholmissbrauch bei älteren Generationen ist ein mindestens genauso großes Problem. Während früher Frauen in Dänemark generell nur wenig oder keinen Alkohol tranken, hat sich das Bild mit den Babyboomern gewandelt. Heute trinken die meisten Dänen über 60, einschließlich der Frauen, Alkohol. Heutige Rentner bilden eine Risikogruppe, denn sie führten den Alkoholkonsum ihrer Jugend auch über die Arbeitsjahre weiter. Und der Eintritt in den Ruhestand ändert daran nichts: Etwa sieben Prozent der Pensionäre gelten als alkoholabhängig. Der Anteil ist damit genauso groß wie in der Gruppe der 16- bis 24-Jährigen. Finanziell können die meisten Rentner es sich leisten, auch frühere Begrenzungen durch die Arbeitszeit existieren nicht mehr. So spricht nun nichts mehr gegen Alkoholgenuss auch tagsüber. Da dies gesellschaftlich akzeptiert ist, stört sich die Umgebung wenig daran. Die empfohlene Höchstgrenze von 7 bzw. 14 Einheiten (eine Einheit sind etwa zehn Gramm reiner Alkohol, enthalten etwa in einem kleinen Glas Bier oder einem doppelten Schnaps) pro Woche für Frauen und Männer wird ständig und kräftig überschritten.
In Zusammenhang mit den älteren Generationen konzentrierte sich die Studie auf die Rolle des Arztes. Dessen Frage nach dem Alkoholkonsum sei schwierig und werde von vielen Patienten als Verletzung der Privatsphäre betrachtet. Die Antworten seien schwer auf ihren Wahrheitsgehalt hin einzuschätzen. Empfohlen wird deshalb, Krankheitsbilder mit ihren möglichen Ursachen, einschließlich zu hohen Alkoholkonsums, zu erklären und eventuelle Fragen so zu stellen, dass der Patient über seinen Verbrauch reflektieren muss. Die Studie weist darauf hin, dass geselliges Zusammensein auch bei den älteren Generationen eine Rolle spielt, nur mit dem umgekehrten Vorzeichen. Ursachen von Alkoholmissbrauch können hier sein: Einsamkeit nach Tod des Partners, Verlust der Arbeitsidentität oder das Verschwinden vieler sozialer Kontakte. Der Arzt kann zwar Hinweise auf Beratungsangebote geben, aber nicht die gesellschaftliche Akzeptanz des Alkohols ändern. Ein nationaler Handlungsplan, der Vorbeugung, Aufklärung und Behandlung koordiniert, könnte hier weiterführen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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