Nicht zu sehen

Die italienische Serie »Zero« regt an, drüber nachzudenken, wer als fremd gilt und unsichtbar bleibt

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 4 Min.

Wie sichtbar sind eigentlich Schwarze Menschen, ihre Geschichte und die Mechanismen rassistischer Ausgrenzung in den Medien oder überhaupt in der Gesellschaft? Diese in gesellschaftspolitischen Debatten immer wieder aufgeworfene Frage stellt auch die italienische Fantasy-Science-Fiction-Serie »Zero«. Angesiedelt im schicken und mondänen Mailand, erzählt sie die Geschichte einer Gruppe Schwarzer Jugendlicher, die meist übersehen werden, wenn sie nicht gerade in eine rassistische Polizeikontrolle geraten. Sie leben im fiktiven marginalisierten Stadtteil »Barrio« und kämpfen gegen Rassismus und die immobilienwirtschaftliche Verdrängung ihrer Community.

Im Zentrum steht der junge Comiczeichner Omar, der plötzlich feststellt, dass er sich unsichtbar machen kann. Auf seinem Fahrrad rast er für gewöhnlich durch die schicke Stadtmitte, wohin er Pizzas ausfährt. Das Geld zum Leben reicht so gerade mal und die Mietpreise steigen ständig. Omar liegt im Dauer-Clinch mit seinem konservativen Vater und will eigentlich endlich die Stadt verlassen, um als junger Künstler ein neues Leben zu beginnen.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Schließlich lernt er eine Gruppe junger Menschen aus der Nachbarschaft um den coolen Shariff kennen, und gemeinsam erfahren sie durch Zufall von Omars außergewöhnlichen Kräften. »Zero« ist frei inszeniert nach Motiven des (nicht ins Deutsche übersetzten) 2018 erschienenen und preisgekrönten Romans »Non ho mai avuto la mia età« (»Ich war nie in meinem Alter«) des 27-jährigen Antonio Dikele Distefano, der ebenfalls am Skript der Serie mitarbeitete. »Zero ist eine Gelegenheit zum Nachdenken: Integration in großen Städten wie Mailand ist eine veraltete Idee, weil wir hier geboren wurden und mit einem mailändischen Akzent sprechen«, erklärte der in Italien geborene Autor mit angolanischen Eltern unlängst in einem Interview mit der Zeitung »Corriere de la Sera«. Genauso geht es auch den Figuren in seiner Geschichte, die allesamt in Mailand aufgewachsen sind, aber ständig damit konfrontiert werden, angeblich Fremde zu sein. Sara versucht sich als Underground-Hip-Hop-Produzentin, der junge Inno will Profifußballer werden und kämpft mit den Behörden um seinen Aufenthaltsstatus.

Die Freunde werden von der Polizei belästigt, müssen täglich mit den beengten Verhältnissen umgehen, in denen sie leben und sind überdies mit einer randalierenden Gang konfrontiert, die im Verdacht steht, für die Interessen einer Immobilienfirma zu arbeiten und irgendwann auch mit Molotowcocktails die Pizzeria attackiert, für die Omar arbeitet. Der lernt im futuristisch-schicken Stadtzentrum die junge, weiße Architekturstudentin Anna aus gutem Hause kennen. Die beiden verlieben sich ineinander, nur darf sie nichts von Omars besonderen Fähigkeiten erfahren.

So sehr das Unsichtbarsein auch für eine gesellschaftliche Stigmatisierung steht, versetzt es die Gruppe um Omar und Shariff (das Duo ist frei benannt nach dem legendären Hollywood-Schauspieler) in die Lage, gegen die Gentrifizierung des Viertels zu kämpfen. Dabei legen sie sich bald mit Immobilienspekulanten und der Mafia an.

»Zero« ist eine rasant erzählte Serie, die mit reichlich Hip-Hop und Popmusik inszeniert ist. Die acht Teile haben gerade einmal jeweils eine Länge von gut 20 Minuten. Gedreht wurde die Serie im Mailänder Viertel Barona, das im Film »Barrio« heißt, genauso wie der Hit des Musikers Mahmood, der auch einen Teil des Soundtracks beigesteuert hat. Auch Mahmood, der 2019 den Preis des renommierten San-Remo-Festivals gewonnen hat - worüber sich italienische Nationalisten und Rechte aufregten, unter anderem der Lega-Nord-Politiker und ehemalige Innenminister Matteo Salvini - wuchs ebenfalls in einem ähnlichen Mailänder Vorort auf.

Insofern arbeitet »Zero« ganz aktuell die Debatte um Rassismus in italienischen Städten auf. Mit viel Musik und urbaner Popkultur wird daraus eine empowernde Geschichte, die mit fortlaufender Handlung noch mehr ins Phantastische abdriftet und mit einem Cliffhanger endet. Denn das Unsichtbarsein Omars, das die Freunde im Kampf nutzen, hat auch seine Kehrseite und einen hohen Preis, wie sich herausstellt. Die Geschichte um diese jungen Menschen, die zwar immer wieder an den Verhältnissen scheitern, sich aber jedes Mal erneut aufraffen, um weiter gegen Rassismus und Gentrifizierung zu kämpfen, dürfte definitiv in eine zweite Staffel gehen.

»Zero« auf Netflix.

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