Staatsziel: Massenmord
Vor 80 Jahren wurde mit Hitlers Segen der faschistische Unabhängige Staat Kroatien gegründet
Am 6. April 1941 bombardierten 600 deutsche Flugzeuge die jugoslawische Hauptstadt Belgrad. Die Brände machten die Stadt für die nächsten deutschen Angriffswellen in der Nacht zum 7. April zu einem weithin sichtbaren Ziel. Die Erklärung der jugoslawischen Regierung, die Stadt nicht zu verteidigen, wurde von deutscher Seite ignoriert. Insgesamt wurden über 400 Tonnen Spreng- und Brandbomben abgeworfen, knapp 10 000 Häuser zerstört, mindestens 3000 Menschen getötet und Zehntausende verwundet. Gleichzeitig begann, unterstützt durch Italien, Ungarn und Bulgarien, der Angriff der Wehrmacht nicht nur auf Jugoslawien, sondern auch auf Griechenland.
Am 17. April kapitulierte Jugoslawien, die Regierung und das Königshaus flohen nach Großbritannien, wo sie eine Exilregierung bildeten. Die schnelle und fast kampflose Niederlage nach nur elf Tagen war ein Desaster für die jugoslawische Monarchie. Der gleichzeitig stattfindende Überfall auf Griechenland verlief trotz stärkeren Widerstandes für die Deutschen ähnlich: Am 21. April kapitulierte auch Athen. Deutschland hatte durch den schnellen und erfolgreichen Feldzug die Südflanke des gewaltigen Aufmarschs gegen die Sowjetunion abgesichert. Jugoslawien und Griechenland wurden von Deutschland und seinen Verbündeten einem gnadenlosen Besatzungsregime unterworfen, das beide Länder innerhalb von vier Jahren fast vollständig ruinieren sollte.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Ausbeutung und Vernichtung
Jugoslawien verschwand von der europäischen Landkarte, wurde zerstückelt und aufgeteilt. Deutschland annektierte Nordslowenien und besetzte das serbische Kernland. Italien erhielt Südslowenien, die dalmatinische Küste, Kosovo und Montenegro. Bulgarien bekam Makedonien zugeschanzt, Ungarn die serbische Wojwodina mit der Hauptstadt Novi Sad. Überall verfolgten nunmehr einheimische Nationalisten eine systematische Umsiedlungs- und Vernichtungspolitik, um unerwünschte Bevölkerungsgruppen zu entfernen Die folgenreichste und schlimmste Schöpfung Nazideutschlands auf dem Gebiet Jugoslawiens war der Unabhängige Staat Kroatien (USK). Er erstreckte sich über eine Fläche von 115 000 Quadratkilometern und hatte 6,5 Millionen Einwohner, religiös und ethnisch heterogen. Neben 3,3 Millionen katholischen Kroaten, circa zwei Millionen orthodoxen Serben und 800 000 muslimischen Bosniaken lebten auch 175 000 Angehörige der deutschen Minderheit, 40 000 Juden und circa 25 000 Roma auf dessen Gebiet.
Die Macht im neuen Staat, der sich offiziell am 10. April 1941 gründete, übernahm die faschistische Bewegung der Ustascha (Aufständische). Ihr Anführer war der Rechtsanwalt Ante Pavelić. Erklärtes Ziel war, einen ethnisch homogenen »Führerstaat« zu erzwingen. Als Hauptfeinde der Bewegung galten die Kommunisten sowie die serbische und jüdische Bevölkerung. Kroatien wurde nach deutschen Vorbild organisiert. Dabei war die personelle Basis des Regimes schwach. Die Ustascha verfügte vor dem Krieg über 4000 Mitglieder und über 30 000 bis 40 000 Unterstützer. Die Lage änderte sich, als prominente Politiker der populären Bauernpartei und führende katholische Geistliche dazu aufriefen, den neuen Staat zu unterstützen. 5000 Polizisten und 10 000 paramilitärische Gendarmen verstärkten den Gewaltapparat des neuen Regimes.
Um den großkroatischen Staat von »Feinden« zu säubern, verfolgte das Regime vom ersten Tag seiner Existenz an eine gnadenlose Politik der Ausplünderung, Vertreibung und des Massenmordes. Bis zum Herbst 1942 wurden über 100 000 serbische Zivilisten ermordet. Der Krieg gegen die Zivilbevölkerung sowie Flucht und Vertreibung Hunderttausender Serben führten in weiten Teilen des Landes zu apokalyptischen Zuständen. Den höchsten Blutzoll erbrachten die Serben. Der deutsche Historiker Alexander Korb schätzt in seiner Untersuchung »Im Schatten des Weltkriegs«, dass in den vier Jahren der Ustascha-Herrschaft 312 000 serbische Zivilisten ermordet wurden.
Ausgerechnet die deutsche Besatzungsmacht empfahl daraufhin ihren kroatischen Verbündeten, die wahllosen Massaker zu beenden, irreguläre Milizen aufzulösen und ein System von Konzentrationslagern aufzubauen. Dies sollte zu einer geordneten und strukturierten Vernichtungspraxis nach deutschen Maßstäben führen. Im Juni 1941 besuchte eine Delegation von Ustascha-Führern das SS-Hauptamt in Oranienburg und besichtigte das KZ Sachsenhausen. In der Folge wurden auf dem Gebiet des USK mindestens 40 größere Konzentrations- und Tötungslager errichtet.
Zum wichtigsten Lagerkomplex wurde das in Zentralkroatien gelegene Lager Jasenovac ausgebaut. Bis zur Jahreswende 1941/42 bildeten jüdische und kommunistische Häftlinge die Mehrheit der dort Gefangenen. Ab 1942 stellten serbische Frauen, Männer und Kinder die größte Häftlingsgruppe im Lager. Nach Schätzungen von Historikern wurden hier an die 25 000 Juden und 16 000 Roma ermordet. Das Eigentum der Ermordeten behielt der Staat ein. Als das »vernunftlose Böse« hat der Kommunist und Schriftsteller Milovan Dijlas in seinen Erinnerungen die Ustascha charakterisiert. An dem gigantischen Raub- und Plünderungszug der kroatischen Faschisten bereicherten sich aber auch die deutsche und italienische Besatzungsmacht.
Titos Partisanenarmee
In dieser von Deutschland und seinen faschistischen Verbündeten geschaffenen Welt entfesselter Gewalt und grenzenloser Willkür formierte sich jedoch auch die schlagkräftigste Widerstandsbewegung Europas. Am 4. Juli 1941, unmittelbar nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion, riefen die Kommunistische Partei Jugoslawiens und ihr Vorsitzender Josip Broz Tito zur bewaffneten Erhebung auf. Zu diesem Zeitpunkt verfügte die KPJ über 12 000 Mitglieder und mehrere Zehntausend Sympathisanten. Es gelang ihnen, trotz massiven Terrors und bitterer Verluste, innerhalb weniger Monate eine straff geführte Streitkraft aufzubauen.
Die Partisanenarmee stand mehrmals, vor allem 1942, vor der völligen Aufreibung, konnte aber immer wieder neue Stützpunkte, insbesondere in Bosnien, aufbauen. »In dieser Situation«, urteilt die Historikerin Marie-Janine Calic, »machten die Partisanen der geschundenen Nation magische Zukunftsversprechungen, indem sie die drei existenziellen Fragen verbanden, die die südslawischen Länder seit Langem plagten: die Bewältigung der sozialen Probleme der Arbeiter und Bauern, die Überwindung von Ausbeutung und Fremdherrschaft und, nicht zuletzt, die nationale Versöhnung durch Brüderlichkeit und Einheit.«
Ende 1943 zählte die jugoslawische Befreiungsarmee über 300 000 Frauen und Männer, die in Brigaden und Divisionen organisiert waren. Am 29. November 1943 beschlossen 142 Delegierte aus allen Landesteilen im bosnischen Jajce den Wiederaufbau des Landes als sozialistische Föderation gleichberechtigter Republiken, wieder mit Belgrad als Hauptstadt. Die Kämpfe zur Befreiung Belgrads begannen Ende September 1944, was am 20. Oktober dank einer koordinierten Offensive von sowjetischen und jugoslawischen Einheiten gelang.
Im November 1944 zählte Titos Armee 800 000 Frauen und Männer. Am Ende des Jahres waren Montenegro, Mazedonien und Kosovo befreit, am 6. April 1945 Sarajewo, die Hauptstadt von Bosnien-Herzegowina. Im Lager Jasenovac wurden noch am 20. April, faktisch in letzter Minute, 700 weibliche Häftlinge ermordet. Die Partisanenarmee erreichte das Lager am 2. Mai. Sechs Tage darauf, am 8. Mai, marschierten Titos Truppen in Zagreb ein und beendeten die Herrschaft der Ustascha. Ante Pavelić gelang die Flucht nach Argentinien. Bei einem Anschlag in Buenos Aires 1957 wurde er schwer verletzt, fand seine letzte Zuflucht in Francos Spanien und starb am 29. Dezember 1959 in Madrid an den Folgen des Attentats.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.