- Politik
- Propalästinensische Demonstrationen
Ein Anlass für neue Repressionen
Nach den propalästinensischen Demonstrationen wollen deutsche Regierungspolitiker auch gegen Organisationen vorgehen, die als links gelten
Auf der Bühne im Zentrum Berlins wehen am Donnerstagabend zwei Flaggen - die deutsche und die israelische. Bevor es losgeht mit der Veranstaltung, posieren CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak, der sozialdemokratische Arbeitsminister Hubertus Heil und Linksfraktionschef Dietmar Bartsch für ein gemeinsames Foto. Hier präsentiert sich ein großes Bündnis gegen Antisemitismus. Mit dabei sind auch Politiker von Grünen und FDP sowie die Jüdische Gemeinde zu Berlin, der DGB und die Kurdische Gemeinde in Deutschland. In einem gemeinsamen Aufruf verweisen die Initiatoren der Kundgebung auf den von der islamistischen Hamas verantworteten Raketenbeschuss auf Israel. Die Hamas versuche, sich durch einen Krieg gegen das Land »in Szene zu setzen«. Dabei sei deren gesamte Strategie »bewusst auf zivile Opfer ausgerichtet, auch in der eigenen Bevölkerung« - also unter den Menschen des von der Hamas beherrschten Gazastreifens, der zuletzt einmal mehr von israelischen Streitkräften bombardiert worden ist. Außerdem äußern die Organisatoren ihre Sorge vor einer Zunahme des Antisemitismus in Deutschland.
Zur Kundgebung kommen rund 1000 Menschen. Der Grünen-Politiker Cem Özdemir warnt davor, die Konfliktlinien entlang der Religionen zu ziehen. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz betont, wer jüdisches Leben in Deutschland angreife, greife die Identität der deutschen Gesellschaft »und damit uns alle an«.
Vieles deutet darauf hin, dass es in den kommenden Wochen nicht nur bei Solidaritätsbekundungen mit dem israelischen Staat und Juden in Deutschland bleiben wird. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat im April 2020 ein Betätigungsverbot für die libanesisch-schiitische Hisbollah verfügt. CDU-Chef Armin Laschet hat nun verlangt, die Fahne der Hamas in der Bundesrepublik zu verbieten. »Wir haben auch die Fahne der PKK verboten, weil es eine terroristische Organisation ist«, sagt der nordrhein-westfälische Ministerpräsident am Donnerstag in einer Aktuellen Stunde des Landesparlaments.
Ob nun Islamisten oder Organisationen, die als links gelten wie die kurdische Arbeiterpartei PKK - für viele deutsche Politiker sind sie alle »ausländische Extremisten«. Differenzierungen werden nicht vorgenommen. Dazu passt, dass Politiker von Union, SPD und FDP nach den propalästinensischen Demonstrationen ein Betätigungsverbot der Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) ins Gespräch gebracht haben. Die PFLP sei eine extremistische Organisation mit israelfeindlichem Antisemitismus, erklärte Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Mittwoch. Die Auswertung der Versammlungslage habe ergeben, dass auch PFLP-Aktivisten und Mitglieder von Unterstützungsnetzwerken unter den Organisatoren und Teilnehmenden der Demonstrationen waren. Die im Jahr 1967 gegründete PFLP wird von der EU als Terrororganisation eingestuft.
Für die Linkspartei, die in Berlin mit SPD und Grünen regiert, ist die Verbotsdebatte ein heikles Thema. Denn es gibt in der Linken auch prominente Fürsprecher der PFLP. »Wir sollten hier mal auf dem Boden bleiben. Die Ausschreitungen nach einer Palästina-Demo am Samstag in Berlin-Neukölln waren Folge der Auflösung dieser Demo wegen Nichteinhaltung von Corona-Regeln«, sagt die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke dem »nd«. Dafür nun allein die PFLP verantwortlich machen zu wollen, erscheint ihr »schon sehr an den Haaren herbeigezogen«. Ebenso wenig könnten judenfeindliche Äußerungen, die auf dieser Demonstration von Islamisten oder türkischen Faschisten gerufen wurden, dieser internationalistischen, linken und säkularen Organisation angelastet werden, die Antisemitismus ablehne, meint Jelpke. »Hier wird offensichtlich die aktuell aufgeheizte Stimmung genutzt, um das Verbot einer palästinensischen Widerstandsorganisation durchzusetzen. Wer jetzt die ohnehin schwache palästinensische Linke durch Repression weiter schwächen will, spielt direkt in die Hände der Hamas«, so die Linke-Politikerin. »Auch dem Kampf gegen Antisemitismus erweist man damit einen Bärendienst.«
Konsequenter Antifaschismus gewünscht - Linke Gruppen diskutieren über den Umgang mit propalästinensischen Solidaritätsdemonstrationen
Dietmar Bartsch äußert sich in seiner Rede am Donnerstagabend nicht zu diesem Thema. Er betont, dass seine Partei nicht dem Likud des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu nahestehe, sondern linken Parteien in Israel, die sich für den Frieden einsetzten. »Aber der Anlass für die heutige Kundgebung ist es nicht, sich in diesem Konflikt parteipolitisch zu positionieren, sondern es ist unsere gemeinsame Solidarität«, sagt Bartsch.
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