• Berlin
  • Fusion von Vonovia und Deutsche Wohnen

»Wir werden diesen Kampf auch gewinnen«

Stadtpolitische Aktivisten und Mieterorganisationen befürchten durch die geplante Fusion von Vonovia und Deutsche Wohnen Nachteile für Mieter

  • Nicolas Šustr und Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen hat am Dienstag schnell auf die offiziell verkündeten Fusionspläne des Wohnungskonzerns reagiert und sich auch die Internetadresse vonovia-enteignen.de gesichert. Was die Aktivistinnen und Aktivisten schon immer klar gemacht haben: Sie wollen alle renditeorientierten Immobilienkonzerne mit Beständen in Berlin ab 3000 Wohnungen sozialisieren.

»Der Druck unserer Kampagne wirkt: Deutsche Wohnen hat sich für eine Übernahme durch Vonovia entschieden in der Hoffnung, dass die Berliner*innen durch einen Namenswechsel das Volksbegehren nicht mehr unterstützen«, kommentiert das Rouzbeh Taheri, einer der Sprecher von Deutsche Wohnen & Co enteignen. »Wir haben damit einen Dax-Konzern in die Knie gezwungen«, triumphiert er.

Seit drei Monaten läuft die Unterschriftensammlung, für die bis zum 25. Juni 175 000 gültige Unterstützerunterschriften zusammenkommen müssen. Gelingt dies, werden die Berlinerinnen und Berliner parallel zur Bundestags- und Abgeordnetenhauswahl am 26. September darüber abstimmen können, ob der Senat ein Sozialisierungsgesetz erarbeiten muss. Zur Halbzeit Ende Mai war bereits mehr als die Hälfte zusammen. »Wir sind optimistisch, dass unser Volksbegehren erfolgreich sein wird«, so Taheri. »Die Berliner*innen werden diesen Deal als Mogelpackung entlarven und erst recht beim Volksentscheid mit ›Ja‹ stimmen«, ist Taheri überzeugt.

Mit der gemeinsamen Pressekonferenz des Berliner Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) mit den Konzernchefs habe dieser wieder gezeigt, »dass er ein Genosse der Bosse ist«, sagt Initiativensprecher Michael Prütz zu »nd«. Die Kampagne für die Enteignung der großen Wohnungskonzerne werde mit voller Kraft weiter geführt, »und wir werden diesen Kampf auch gewinnen«, glaubt auch Prütz.

Enteignungs-Aktivistin Jenny Stupka lenkt den Blick auf die Vermietungspraxis von Vonovia: »Ihre Spezialität sind überhöhte Nebenkostenabrechnungen, die über Tochterfirmen in die Tasche des Mutterkonzerns zurückfließen.« Über zahlreiche Tochterfirmen werden Hausmeisterleistungen, Reinigungs- und Reparaturdienste erbracht, jedoch gibt es keine prüffähigen Rechnungen. Bundesweit laufen mehrere Gerichtsverfahren zu dem Geschäftsgebaren.

Harsche Kritik kam auch von Mieterverbänden. Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes (DMB), nannte die Ankündigungen der Konzerne zu Mietpreisbegrenzungen »die verbale Flucht nach vorne« angesichts wachsender Mieterproteste. Temporäre Mietbegrenzungen im Bestand änderten nichts an profitorientierten Geschäftsmodellen, wie etwa Neuvertragsmieten nach umfassenden Modernisierungen, die keiner Preisregulierung unterliegen. Dagegen helfe nur eine wirksame, lückenlose Mietpreisbremse auf Bundesebene.

Enteignung lässt Konzerne zittern. Nicolas Šustr über die Fusion von Deutsche Wohnen und Vonovia

»Auch die Zusage, Modernisierungen über die gesetzlichen Vorgaben hinaus auf maximal zwei Euro pro Quadratmeter zu begrenzen, ist mehr Augenwischerei als eine echte mieterschützende Zusage«, ergänzt Siebenkotten. Die Begrenzung der Umlage auf zwei Euro steht bei Ausgangsmieten von bis zu sieben Euro pro Quadratmeter im Gesetz. Eine Grenze, die viele Bestandswohnungen der Vonovia sowieso nicht überschreiten, womit von einer freiwilligen sozialen Wohltat nun wirklich nicht die Rede sein könne.

»Die angestrebte Fusion von Vonovia und Deutsche Wohnen bringt Mieter*innen nichts, im Gegenteil. Durch die Refinanzierung des 18-Milliarden-Euro-Kaufpreises wächst der Druck auf Mieten«, so der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild. Der versprochene Zukunfts- und Sozialpakt sei weitgehend heiße Luft. Schon jetzt lägen laut Vonovia-Geschäftsbericht die jährlich generierten Mietsteigerungen bei unter einem Prozent. »Wir befürchten, dass sich durch die Fusion in einzelnen Berliner Quartieren eine Marktmacht herauskristallisiert, die für die Stadtentwicklung problematisch werden kann«, sagt der Mieterschützer weiter. Zumal der Druck auf die Politik wird durch den Branchenriesen zunehmen werde. »Wir sind daher überrascht, mit welcher Naivität der Regierende Bürgermeister Michael Müller und Finanzsenator Matthias Kollatz den Immobiliendeal begrüßen«, so Wild.

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