- Politik
- Erzbistum Köln
Kardinal Woelki unter Druck
Der Vatikan entsendet Prüfer ins Erzbistum Köln, Gemeindemitglieder wenden sich vom Bischof ab
Es kam ein wenig überraschend: Papst Franziskus hat eine Überprüfung des Prozesses der Aufarbeitung der von Geistlichen verübten sexualisierten Gewalt an Kindern im Erzbistum Köln angekündigt. Im Juni sollen nun die vom Vatikan beauftragten Bischöfe von Stockholm und Rotterdam, Anders Arborelius und Johannes van den Hende, in die Domstadt kommen, um den Umgang mit Missbrauchsfällen in der Diözese zu untersuchen. Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki sieht der »Apostolischen Visitation« »mit großen Erwartungen« und »voller Vertrauen« entgegen, wie er am Sonntag im Domradio sagte.
Woelki räumte ein, auch die Empörung unter den Kirchenmitgliedern unterschätzt zu haben. Woelki hatte Anfang 2020 ein Gutachten zum Missbrauch in seinem Bistum in Auftrag gegeben, dieses jedoch zurückgehalten. Ein zweites Gutachten wurde im März präsentiert. Es entlastete Woelki, stellte aber schwere Pflichtverletzungen bei amtierenden Mitgliedern der Bistumsführung und bei Woelkis verstorbenem Amtsvorgänger Joachim Meissner fest.
Woelki betonte, die Visitation sei nicht als Misstrauenserklärung des Vatikans zu interpretieren. In dem Brief der Bischofskongregation heiße es, dass »man mir persönlich und der mir anvertrauten Kirche in einer Zeit großer Bedrängnis und Prüfung beistehen« möchte, sagte der Kardinal im Domradio. Bei Bistumsgremien und Kirchenmitgliedern warb er um Dialogbereitschaft. Christen müssten das »Gift der Polarisierung« überwinden. Hintergrund dieser Worte dürfte ein aktueller Konflikt zwischen Woelki und der Kirchengemeinde St. Margareta in Düsseldorf-Gerresheim sein.
In einem Offenen Brief hatten sich 141 Gemeindemitglieder an den Kardinal gewandt. Darin beklagten sie Vertrauensverlust und baten Woelki, an einer Firmung am 9. Juni nicht teilzunehmen. Ein Gespräch zwischen dem Kardinal und 40 Gemeindemitgliedern fand am Donnerstag in Düsseldorf unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Auf eine Kundgebung vor dem Versammlungsort protestierten rund 100 Katholik*innen. Firmungen gehören zu den Höhepunkten des Jahres für katholische Kirchengemeinden. Der Bischof nimmt dabei jugendliche Gemeindemitglieder in den Kreis der »vollwertigen« Gemeindemitglieder auf. Die Düsseldorfer Gemeinde ist besonders vom Missbrauch betroffen. Gleich zwei ehemalige Priester sollen Kindern und Jugendlichen Leid zugefügt haben. Woelki kannte beide Pfarrer, einen von ihnen seit Jahrzehnten. Als 2015 bekannt wurde, dass diesem Geistlichen sexualisierte Übergriffe vorgeworfen werden, verzichtete Woelki auf eine kirchenrechtliche Untersuchung. Er begründete dies mit der fortgeschrittenen Demenz des Pfarrers. Der zweite Pfarrer wurde 2017 von Woelki zum stellvertretenden Stadtdechanten von Düsseldorf befördert. Er ist derzeit beurlaubt. Vorgeworfen wird ihm, gemeinsam mit einem minderjährigen Prostituierten onaniert zu haben.
Wegen dieser Art des Umgangs mit den Verbrechen akzeptieren viele Gemeindemitglieder Woelki nicht als Prediger bei der Firmung. Im offenen Brief heißt es, dafür müsse eine Person »als Christ in seinem Amt und in seinem Handeln glaubwürdig« sein; »Sie sind das leider für uns nicht mehr.« Die Unterzeichner kommen aus der Mitte der Gemeinde, sind keineswegs »Rebellen«.
Woelki zeigte sich eher unbeeindruckt. Als er an den Protestierenden vorbei in den Saal geht, sagt er einer Frau: »Alles wird gut.« Viele Christen wollen sich nicht mit solchen Sprüchen nicht mehr abspeisen lassen. Ob Woelki die Firmung durchführt, ist nach dem Gespräch noch nicht klar. Die Firmlinge sollten dazu noch gehört werden. Unterdessen wurde ebenfalls am Donnerstag bekannt, dass beim Münsteraner Bischof Felix Genn eine weitere kirchenrechtliche Anzeige gestellt wurde. Wieder wird Woelki vorgeworfen, in einem Fall sexualisierter Gewalt untätig geblieben zu sein.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.