Kein Scholz-Zug
Die SPD kam auch in Sachsen-Anhalt nicht aus ihrem Dauertief
Man kann es sich kaum noch vorstellen: In Sachsen-Anhalt stellte die SPD immerhin acht Jahre lang den Ministerpräsidenten. Von 1994 bis 2002 war Reinhard Höppner Ministerpräsident, er ließ sich jeweils von der Linken tolerieren. Diese Art der Minderheitsregierung ging als Magdeburger Modell« in die Geschichte ein.
2021 erreichten die Sozialdemokraten mit 8,4 Prozent das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte - und weniger als ein Viertel dessen, was sie unter Höppner an Zustimmung erhielten. 1994 hatte es noch ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der CDU gegeben: Die Sozialdemokraten kamen auf 34, die Christdemokraten auf 34,4 Prozent. 1998 wurde die SPD gar mit 35,6 Prozent mit großem Abstand vor der zweitplatzierten CDU (22 Prozent) stärkste Kraft.
Für die Bundestagswahl bietet das Landtagswahlergebnis in Sachsen-Anhalt vom Sonntag also keinerlei Rückenwind, im Gegenteil. Zwar würde SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz, könnte er direkt gewählt werden, in Sachsen-Anhalt mehr Stimmen als CDU-Chef Armin Laschet erhalten. Doch seine Partei ist an der Elbe nur noch viertstärkste Kraft.
Die SPD-Ko-Vorsitzende Saskia Esken spricht sich und ihrer Partei für den Bundestagswahlkampf dennoch Mut zu. Die gesunkenen Corona-Infektionszahlen erlaubten im Sommer wieder mehr direkten Kontakt mit potenziellen Wählern, sagte sie am Montag in Berlin. Dadurch, hofft die Politikerin, könne man noch das Ruder herumreißen. Für sie sind die durch die Pandemie eingeschränkten Wahlkampfmöglichkeiten eine denkbare Erklärung für das schlechte Abschneiden der Sozialdemokraten, sagte Esken im ARD- »Morgenmagazin«. Nun sei es wichtig, im Bundestagswahlkampf mit zentralen Punkten wie höheren Löhnen und bezahlbarem Wohnen zu punkten.
Ko-Parteichef Norbert Walter-Borjans kündigte am Montag in Berlin an, als Konsequenz aus dem Desaster von Magdeburg wolle die SPD-Führung im Bund auf eine stärkere Abgrenzung zum Koalitionspartner Union setzen. Die Partei müsse im Bundestagswahlkampf deutlich machen, dass sie bei ihren Kernanliegen soziale Gerechtigkeit und soziale Sicherung »mit diesem Koalitionspartner immer im entscheidenden Moment nicht weiterkommt«. Die Erfolge der SPD in der Bundesregierung müssten deutlicher hervorgehoben werden, erklärte er.
Esken sagte, eines der Themen, mit denen die SPD Akzente setzen wolle, sei die Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro pro Stunde. »Dafür braucht es eine progressive Regierung«, betonte sie. Zudem verspricht sie sich von den guten Umfragewerten für Olaf Scholz einen Schub im Bundestagswahlkampf. Der Bundesfinanzminister und Vizekanzler habe »die stärksten Zustimmungswerte und die höchsten Kompetenzzuschreibungen«. Walter-Borjans zeigte sich grundsätzlich offen dafür, dass die SPD in Sachsen-Anhalt trotz ihres Absturzes auf 8,4 Prozent in der CDU-geführten Regierungskoalition verbleibt. Die Entscheidung darüber liege beim Landesverband. Die SPD werde sich »einer verantwortungsvollen Sicherung einer demokratischen Mehrheit in Sachsen-Anhalt nicht entziehen«, betonte Walter-Borjans.
Katja Pähle, Spitzenkandidatin der SPD in Sachsen-Anhalt, bezeichnete das Wahlergebnis auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit den Parteichefs als »wirklich furchtbar«. Die SPD habe im Landtagswahlkampf zwar »auf die richtigen Themen gesetzt«, sagte sie. Viele potenzielle Wähler hätten aber der CDU ihre Stimme gegeben, um zu verhindern, dass die AfD stärkste Partei wird.
Olaf Scholz äußerte sich bislang nicht zur Niederlage der Genossen in Magdeburg. Die Bundes-SPD hat auch überhaupt keinen Grund, mit dem Finger auf die Sachsen-Anhalter zu zeigen. Seit Langem dümpelt sie in Umfragen zwischen 14 und 17 Prozent vor sich hin. Es könnte helfen, wenn die SPD sich klar für ein Bündnis mit Linkspartei und Grünen positionieren würde. Ihr Lavieren in der Koalitionsfrage und ihr Jubel angesichts der kurzzeitigen Hoffnung auf ein Bündnis mit Grünen und FDP nach der Landtagswahl in Baden-Württemberg im März hat ihr jedenfalls nicht mehr Zuspruch gebracht. Etliche SPD-Bundespolitiker brachten ein solches Bündnis als Blaupause für den Bund ins Spiel. Dennoch stellt die SPD, ähnlich wie die Grünen, bereits vorab Bedingungen an die Linke. Sie müsse ihre Forderung nach Schaffung einer internationalen Sicherheitsarchitektur anstelle der Nato und nach Auflösung der Geheimdienste aufgeben, heißt es.
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