Das Virus war schneller
Covid-Vakzin von Curevac verzeichnet eine geringe Wirksamkeit. Bei einem neuen Proteinimpfstoff sieht es besser aus
Das war es dann wohl: Der mRNA-Impfstoff der Tübinger Biotechfirma Curevac hat in der zulassungsrelevanten Großstudie offenbar gefloppt. Er erzielte »eine vorläufige Wirksamkeit von 47 Prozent gegen eine Covid-19-Erkrankung jeglichen Schweregrades«, wie es in einer Börsenpflichtmitteilung des Unternehmens vom Donnerstag heißt. Damit seien »die vorgegebenen statistischen Erfolgskriterien nicht erreicht worden«.
Für den Impfstoff mit der Bezeichnung »CVnCoV« war schon vor einiger Zeit der Antrag auf ein Zulassungsverfahren bei der EU-Medikamentenbehörde EMA erwartet worden. Daraus wird nun wohl nichts. Andere Corona-Vakzine bringen es ja auf eine Wirksamkeit von 90 Prozent und mehr. Möglicherweise wurde Curevac zum Verhängnis, dass bei der entscheidenden klinischen Phase-2b/3-Studie mit rund 40 000 Probanden in Lateinamerika und Europa 13 verschiedene Mutanten des Virus Sars-CoV-2 getestet wurden. So gab es vor allem bei der südamerikanischen Lambda-Variante zahlreiche Covid-Erkrankungen bei Geimpften; bei der früheren oberitalienischen Variante war die Wirksamkeit sehr hoch. Hat Curevac bei der Impfstoffentwicklung einfach das Wettrennen gegen das mutierende Virus verloren?
In normalen Zeiten gehören solche Fehlschläge zum Forscheralltag. Während der Covid-Pandemie werden sie aber schnell zum Politikum. So hat die Bundesregierung bereits rund 66 Millionen Dosen bei Curevac bestellt. Das Gesundheitsministerium beeilte sich jetzt zu erklären, der drohende Ausfall werde zu keinen Verzögerungen bei der laufenden Impfkampagne führen.
Allerdings rächt sich nun, dass die EU insgesamt stärker auf die Förderung eigener Unternehmen setzt und etwa dem britischen Impfstoff von Astra-Zeneca den Rücken kehrt. Die Zulassung des russischen Vektorimpfstoffs Sputnik V zieht sich wegen nicht ausreichender Daten weiter hin, das Verfahren beim chinesischen Vakzin Sinovac könnte wegen Zweifel an der Wirksamkeit womöglich negativ ausgehen.
Peinlich ist die Entwicklung gerade für deutsche Politiker aus Bund und dem Ländle, die sich mit Vorschusslorbeeren für die Tübinger geradezu überboten hatten. Kleinlaut twitterte jetzt als erster der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach: »Schade, das Team aus Tübingen hätte Erfolg verdient gehabt.« Der deutsche Staat war sogar im vergangenen August über die Förderbank KfW mit 300 Millionen Euro Risikokapital bei Curevac eingestiegen. Angesichts des jetzigen Aktieneinbruchs drohen Verluste.
Zahlreiche Epidemiologen wenden sich seit Längeren gegen ein zu starkes Setzen auf die neuartigen mRNA-Impfstoffe, vor allem da es noch keine Erfahrungen mit langfristigen Risiken gibt. Auch Vektorimpfstoffe sind kaum in der Realität erprobt. Anders sieht es bei klassischen Vakzinen aus. Dazu gehören sogenannte Proteinimpfstoffe, wie sie etwa gegen Hepatitis-B im Einsatz sind. Sie enthalten gentechnisch hergestellte Kopien des S-Proteins des Coronavirus, welche die Immunantwort auslösen sollen, und ein Adjuvans. Letzteres kann aber Probleme bereiten, wie Erfahrungen mit dem »Schweinegrippe«-Impfstoff »Pandemrix« zeigen. Daraus dürfte man aber gelernt haben, und man weiß, nach welchen Nebenwirkungen zu suchen ist.
Solche Impfstoffe entwickeln chinesische Unternehmen, aber auch Forscher der Universität Tübingen und westliche Pharmafirmen. Der US-Hersteller Novavax konnte am Mittwoch vermelden, dass bei der entscheidenden Phase-III-Studie für seinen Impfstoff »NVX-CoV2373« die Wirksamkeit bei 90,3 Prozent gelegen habe, bei mittelschweren und schweren Krankheitsverläufen sogar bei 100 Prozent. Novavax hofft auf eine Zulassung im dritten Quartal. Die Entwicklung war von der US-Regierung gefördert worden, für die dortige Impfkampagne kommt er aber zu spät. Er könnte sich daher für Lieferungen in alle Welt eignen. Allerdings hat Novavax offenbar Probleme mit dem Hochfahren der Produktion auf sehr große Mengen - bis Ende des Jahres will man 150 Millionen Dosen herstellen. Parallel entwickelt die Firma modifizierte Impfstoffe gegen Mutanten.
Das macht auch Curevac. Man wolle die klinische Studie zu Ende führen in der Hoffnung auf bessere Ergebnisse, arbeite zudem an Impfstoffen der zweiten Generation gegen neue Varianten, so das Unternehmen. Die Markteinführung sei für 2022 geplant - »vorbehaltlich der Genehmigung der Behörden«.
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