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Keine Guttenberg
Netzwoche: Grünen-Kanzlerkandidatin Baerbock steht unter Plagiatsverdacht
In jeder größeren Buchhandlung gibt es einen Tisch, auf dem fast zwangsläufig eines Tages alle Spitzenpolitiker*innen enden. Armin Laschet brachte 2009 mit »Die Aufsteigerrepublik. Zuwanderung als Chance« ein Pamphlet zur deutschen Migrationspolitik heraus, Olaf Scholz veröffentlichte 2017 mit »Hoffnungsland. Eine neue deutsche Wirklichkeit« seine Gedanken über eine »offene, liberale, säkulare Gesellschaft«, wie es in der Verlagsanpreisung heißt. Politiker*innen scheinen den Zwang zu verspüren, im Lauf ihrer Karrieren der Öffentlichkeit beweisen zu müssen, dass sie nicht nur Reden halten können, sondern auch im Stande sind, einen Verlag zu beschwatzen, der ihre politische Agenda zwischen zwei Buchdeckel presst.
Vielleicht liegt darin der größte Fehler, den Annalena Baerbock bisher beging: dem (Irr-)Glauben zu erliegen, krampfhaft ein Buch publizieren zu müssen, um damit die oft von der Gesellschaft brutal eingeforderte Leistungsfähigkeit unter Beweis zu stellen, Parteivorsitzende, Bundestagsabgeordnete, Kanzlerkandidatin und Autorin zeitgleich in einer Person sein zu können. Dieser öffentliche Druck lastet seit Bekanntwerden ihrer Kandidatur für den Posten der Regierungschefin auf der 40-Jährigen. »Kann Baerbock überhaupt Kanzlerin?«, lautet seitdem die häufigste Frage, die berechtigt ist, solange es dabei um konkrete Fähigkeiten einer Politiker*in und politische Inhalte geht. Doch in Baerbocks Fall ging es in der öffentlichen Debatte von Anfang an viel um persönliche Diskreditierung, aber kaum um ihre politischen Visionen.
Rückblickend war es keine clevere Idee, im Wahlkampf mit »Jetzt: Wie wir unser Land erneuern« ein Buch zu publizieren. Was als Booster für mehr Diskussionen über grüne Inhalte gedacht war, stellt sich als Steilvorlage für Baerbocks Gegner*innen heraus. Der österreichische Medienwissenschaftler Stefan Weber wirft der Politikerin auf seinem »Blog für wissenschaftliche Redlichkeit« plagiatsgutachten.com »schwerwiegende Textplagiate« vor, räumt aber zugleich ein, dass »ein Sachbuch einer Politikerin im Ullstein-Verlag« keine Dissertation ist. Vergleiche mit anderen Fällen wie dem des früheren Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg oder aktuell der SPD-Politikerin Franziska Giffey verbieten sich allein deshalb, weil mit dem Buch kein Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erhoben wird, womit auch nicht der Maßstab einer Doktorarbeit gilt.
Webers Befund wirkt mitunter beinahe kleinlich, etwa seine Kritik, dass sich Baerbock wörtlich aus dem Grünen-Programm bediente. An anderen Stellen, etwa zwei mutmaßlich aus dem »Spiegel« übernommenen Sätzen über Hochhäuser aus Holz, handelt es sich um reine Sachinformationen.
Die Hassmaschine im Wahlkampf läuft
Seit die Grünen Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin präsentierten, wird die Politikerin im Netz verstärkt mit Hass, falschen Behauptungen und Sexismus attackiert. Dahinter steckt eine gezielte Kampagne
Deshalb kommt der Journalist Björn Dake auf tagesschau.de zu dem Schluss, dass an dem Plagiatsvorwurf eher wenig dran ist: »Ein Plagiat im Sinne des Urheberrechts setzt voraus, dass geistiges Eigentum gestohlen wurde.« Der Ärger wäre Baerbock und ihrem Co-Autor Michael Ebmeyer leicht erspart geblieben, hätten sie nicht gänzlich auf ein Quellenverzeichnis verzichtet. Das hat weniger mit der Frage zu tun, ob ein Zitathinweis im Einzelfall rechtlich notwendig ist. Die Grünen mussten damit rechnen, dass ihre politischen Gegner*innen - insbesondere von rechts - jeden echten oder vermeintlichen Fehler skandalisieren. Nachdem die Plagiatsvorwürfe sogar Thema in der »Tagesschau« waren, bleibt bei manchen Wähler*innen unweigerlich etwas hängen. Ein Problem, das vermeidbar gewesen wäre.
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