EU-Kommission sieht Rechtsstaat in Gefahr

Jahresbericht zu allen Staaten der Europäischen Union kritisiert vor allem Polen und Ungarn

  • Lesedauer: 2 Min.

Brüssel. Die EU-Kommission sieht den Rechtsstaat in Polen und Ungarn weiter in Gefahr. Der am Dienstag veröffentlichte zweite Jahresbericht der Brüsseler Behörde zur Lage der Rechtsstaatlichkeit in allen 27 EU-Staaten kritisiert vor allem Entwicklungen in den beiden Ländern. Demnach stellen die Regierungen in Warschau und Budapest die Unabhängigkeit der Justiz und die Pressefreiheit in Frage und unternehmen nicht genug gegen Korruption. »Ernste Besorgnis« äußerte Brüssel darüber, dass Polens Regierung richterliche Anordnungen des Europäischen Gerichtshofs weiterhin nicht umgesetzt hat. Die Luxemburger Richter hatten unter anderem die Aussetzung einer umstrittenen Disziplinarkammer für Richter gefordert. »Doch sie trifft weiterhin Entscheidungen mit direkten Auswirkungen.« Auch Bedenken »hinsichtlich der Unabhängigkeit und Legitimität des Verfassungsgerichts sind noch immer nicht ausgeräumt«.

»In Ungarn gibt es weitere Veränderungen in Richtung einer Absenkung bestehender Schutzmaßnahmen« für die Unabhängigkeit der Gerichte, heißt es in dem Bericht. Etwa die Ernennung von Zsolt Andras Varga zum Präsidenten des Verfassungsgerichts entgegen des Widerspruchs des Nationalen Justizrates sei höchst bedenklich.

Auch um die Medien in beiden Ländern sei es schlecht bestellt. Ungarns Regierung nehme durch intensives Schalten von Werbeanzeigen »indirekt politischen Einfluss« auf die Presse. Der Staat sei »der größte Werbeträger im Land und ein Großteil der Einnahmen geht an Medienunternehmen, die als regierungsfreundlich gelten«. In Polen stelle außerdem die geplante Übernahme eines großen Pressekonzerns durch ein Staatsunternehmen eine »potenzielle Bedrohung für den Pluralismus auf dem Medienmarkt« dar.

Der 2020 erstmals erstellte Bericht bewertet nach Angaben der Kommission anhand einheitlicher und objektiver Kriterien die Lage in allen 27 EU-Ländern. Wie bereits im vergangenen Jahr hat Brüssel in einer ganzen Reihe von Ländern Probleme ausgemacht. Auch in Slowenien würden Journalisten von offizieller Seite angegangen, Österreich verzeichne ein kritisches Ausmaß staatlicher Werbeanzeigen in Medien und Deutschland reguliere Parteispenden nicht ausreichend.

Die Kommission sieht insgesamt aber eine positive Tendenz. »Nach dem ersten Bericht erhielten wir eine Reihe von Aktionsplänen und Reformprojekten, um die angesprochenen Bedenken zu beseitigen«, sagte EU-Justizkommissar Didier Reynders. In diesem Rahmen habe Rumänien etwa begonnen, kritisierte Justizreformen rückgängig zu machen.

Vor der Vorstellung des Berichts hatte die Vizepräsidentin des EU-Parlaments Katarina Barley (SPD) die Sperrung von EU-Geldern für Ungarn und Polen gefordert. »Die Kommission muss jetzt unmittelbar handeln und vor allem Ungarn, aber auch Polen EU-Gelder sperren. Sie kann sich wirklich nicht mehr rausreden«, sagte Barley den Zeitungen der Funke Mediengruppe.AFP/nd

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.