- Wissen
- Urlaub
Wie weit soll man reisen?
DR. SCHMIDT ERKLÄRT DIE WELT: Heute erklärt er, was für Nah- oder Fernreisen spricht
Jetzt wird in den Ferien wieder herumgereist. Je entfernter, desto besser? Oder könnte ich auch bei meinen Nachbarn im Hinterhof Urlaub machen, Hauptsache, ich muss nicht zu Hause sein?
Wo sich das Urlaubsgefühl einstellt, ist individuell extrem unterschiedlich. Einige meiner Freunde können keinen Urlaub machen, wenn sie noch in Reichweite ihrer Arbeitsstelle sind. Die müssen also möglichst weit weg fahren.
Möglichst weit, was heißt das?
Na, das kann von Sri Lanka bis zur Ostsee reichen, je nachdem.
Als ich Zivildienst auf dem Land machte, erstaunte mich, dass manche von den Leuten einfach im nächsten Ort, zehn Kilometer weiter den Berg hoch, ihre Sommerfrische verbrachten.
Entfernungen haben ein Eigenleben. Seit ich in Berlin wohne, sind zehn Kilometer keine Entfernung mehr für mich. Aber als ich in Bad Elster wohnte, im Vogtland, war die nächstgrößere Stadt vier Kilometer entfernt. Das schien mir sehr weit. Da bin ich auch nur selten hingeradelt. Die psychische Wahrnehmung der Entfernung hängt entschieden damit zusammen, wie sie verkehrsmäßig überbrückt werden kann. Zu Zeiten des ollen Fritzen ist man vom Potsdamer Sanssouci zum Stadtschloss Berlin mit der Kutsche fast einen Tag unterwegs gewesen. Und heute setzt du dich eine halbe Stunde in die S-Bahn.
Man braucht da kein Auto.
Nur die richtigen Fans des Autofahrens, für die ist das Am-Steuer-Sitzen keine Arbeit. Sondern ein Freizeitvergnügen.
Aber nicht im ewigen Stau.
Ich kenne Leute, die haben selbst das genossen, weil sie da endlich laut Musik hören konnten, die sie zu Hause nicht so hören durften. Manchmal sogar mit einer besseren Anlage.
Früher hieß der Urlaub mit dem Auto mitten in der Nacht aufstehen und dann um fünf Uhr morgens losfahren, um nicht in den Stau zu geraten.
Und dann steht man trotzdem drin, weil das alle so machen. Deshalb fahre ich lieber Nachtzug, weil du da den Weg verschläfst. Die gibt’s ja wieder.
Was man sagen kann: Je größer die Entfernung, desto fremder und ungewohnter ist die Umgebung.
Das ist der Punkt, der wahrscheinlich vielen Leuten hilft, die Distanz zum Arbeitsstress zu gewinnen. Viele Menschen kriegen Burn-out-Probleme, weil sie das meist begründete Gefühl haben, dass sie nicht entscheiden können, wie sie ihre Arbeit machen. Die brauchen dann diesen großen Abstand. Aber bei der Masse der deutschen Touristen habe ich den Eindruck, sie fahren gerne an einen Ort, wo eigentlich alles ist wie zu Hause, nur mit Sonne und Wasser.
Also die normalen Ostseeorte sehen ja aus wie so Fußgängerzonen am Wasser.
Na ja. Manche mehr, manche weniger.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.