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»Die Marktwirtschaft ist blind für ökologische Fragen«
Eine soziale Klimawende kann eine Jobmaschine sein, meint die Linke. Dafür seien aber klare politische Vorgaben nötig, sagt Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler
Eine Million Jobs will die Linke durch ein Investitionsprogramm in den Klimaschutz schaffen. Was für Jobs werden das sein?
Das sind einerseits Stellen, die für den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs nötig sind, in der Energiebranche und natürlich beim Wohnungsbau, wo es ebenfalls gilt, klimaneutral zu werden. Für die Energiewende in öffentlicher und genossenschaftlicher Hand braucht es 100 000 zusätzliche gut bezahlte Arbeitsplätze in der Produktion, in Installation und Wartung. 200 000 Stellen müssten in den nächsten zehn Jahren im Fahrdienst des ÖPNV geschaffen werden, und 200 000 weitere in der Bahninfrastruktur und in der Industrie.
Zum Programm gehören aber auch Investitionen in Bildung und Gesundheit: Dafür müssen aus unserer Sicht 100 000 Stellen in Pflegeeinrichtungen und 100 000 in den Krankenhäusern geschaffen werden. Und wir wollen 200 000 zusätzliche Erzieherinnen in Kitas und Schulen sowie 100 000 Lehrer einstellen. Das ist sinnvoll und notwendig ist, um eine soziale Klimawende hinzubekommen.
Das Programm sieht auch eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung vor. Dadurch könnte nach Ihrer Rechnung eine weitere Million Jobs geschaffen werden. Aber wie soll das inklusive vollem Lohnausgleich durchgesetzt werden?
Momentan ist es ja so, dass ein Teil der Beschäftigten bis zum Umfallen arbeitet und ein anderer Teil der Bevölkerung unterbeschäftigt ist. Wir hier einen Ausgleich schaffen, der in der Summe dazu führt, dass mehr Arbeitsplätze entstehen. Prinzipiell entscheiden die Tarifparteien über die Länge der Arbeitszeit, aber uns als Politik steht es schon zu, etwa durch das Arbeitszeitgesetz die Höchstarbeit zu begrenzen und festzulegen, in welchem Umfang Mehrarbeit möglich ist - und wie sie abzugelten ist. Und so kann man natürlich Vorgaben und Anreize setzen. Wir halten es für sinnvoll, die Normalarbeitszeit auf 28 bis 35 Stunden zu reduzieren.
Die Linke will den Umstieg auf öffentliche Mobilität und weg vom Individualverkehr. Wollen Sie den Leuten ihr Auto wegnehmen?
Wir wollen niemandem etwas wegnehmen, sondern wir wollen etwas bringen. Wenn wir es schaffen, zwischen 6 bis 22 Uhr auch im ländlichen Raum einen ÖPNV einzurichten, der mindestens stündlich fährt, wo es zusätzlich Rufbussysteme und Sammeltaxis gibt, fällt es vielen Menschen auch dort deutlich leichter, das Auto mal stehenzulassen oder sich keins mehr anzuschaffen. Und es ist ja nicht so, dass die Leute unbedingt Auto fahren wollen, weil sie sich nichts Schöneres vorstellen können, als täglich eine halbe Stunde oder länger im Stau zu stehen. Der Umstieg steht und fällt mit dem Vorhandensein guter Alternativen.
Das Jobprogramm beinhaltet viele für die Wirtschaft einschneidende Maßnahmen. Brauchen wir eine neue Planwirtschaft?
Tatsache ist, dass der Markt es nicht regelt. Der Kapitalismus kann das Klima nicht schützen. Er ist blind für ökologische Fragen. Wenn die Grünen versuchen, mit marktwirtschaftlichen Modellen wie der CO2-Bepreisung Märkte zu imitieren, dann wird das genau so scheitern, wie es bislang schon gescheitert ist.
Aber die Linke will natürlich nicht, dass alles zentral gesteuert wird. Solche Modelle haben sich im Realsozialismus an der Wirklichkeit blamiert. Aber wir brauchen schon demokratische Entscheidungen darüber, was wir als Gesellschaft tun müssen, um das Ziel der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad zu erreichen. Dafür müssen wir auch den Unternehmen klare Vorgaben, wie produziert wird.
Sozialverbände und Gewerkschaften haben sich ähnlich positioniert wie die Linke. Welche Formen der politischen Kooperation sind jetzt nötig?
Wir wollen die Gesellschaft in Schwung bringen. Gewerkschaften, Umwelt- und Sozialverbände sehe ich als Partner, wenn es darum geht, Druck zu machen für einen konsequenten politischen Wechsel. Aber natürlich brauchen wir auch Partner in der Politik. Wir als Linke haben oft genug bewiesen, dass progressive Projekte an uns nicht scheitern. Wir sagen aber auch: Wer gesellschaftlichen Fortschritt in der Klimafrage und in der sozialen Frage umsetzen will, muss auch sagen, wo das Geld dafür herkommen soll und wen er dafür in die Verantwortung nehmen und belasten will. Wer sich dem verweigert, ist unredlich. SPD und Grüne müssen entscheiden, welche Antwort sie geben. Wir hoffen, die richtige.
Max Uthoff hat in der ZDF-Satiresendung »Die Anstalt« am vergangenen Freitag gesagt: Die Grünen werden für das gewählt, was die Linken machen wollen. Frustriert Sie das?
Nein, im Gegenteil. Das zeigt doch, dass sich die Einsicht langsam durchzusetzen beginnt, dass die Linke für eine klimagerechte und soziale Politik unverzichtbar ist. Uns geht es vor allen Dingen darum, die Lebenslage der Bevölkerung zu verbessern und das Klima zu retten. Dafür sehe ich keine andere Alternative als immer wieder konstruktive Vorschläge dafür zu machen. Und ich glaube schon, dass Wählerinnen und Wähler das auf lange Sicht sehen und honorieren.
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