Von Eichwalde in die Welt
Olympia im nd-Foyer: Eine Ausstellung mit Bildern des Ostkreuz-Fotografen Sebastian Wells
»Derzeit in Tokio, Japan, bei den Olympischen Spielen« - diese lapidare Mitteilung liest man zuerst, wenn man die Webseite des Fotografen Sebastian Wells aufruft. Obwohl Wells noch ziemlich jung ist - geboren 1996 -, kann man doch feststellen: Mit diesem Reportereinsatz kehrt er zu seinen Wurzeln zurück. Denn früh, mit 15, begann er, bei Sportereignissen zu fotografieren. Er war selbst aktiver Läufer, verletzte sich mehrfach, blieb dem Sport aber wenigstens mit der Kamera treu.
Inzwischen hat er sein Themenfeld deutlich ausgeweitet, studierte an der renommierten Ostkreuzschule, hatte Ausstellungen, gewann Preise. 2016, bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro, fotografierte er den Sprint-Superstar Usain Bolt. Der Jamaikaner, auf einem Absperrgitter stehend, von unten in Bild genommen, umlagert von Fans und Fotografen. Die Aufnahme wurde in Deutschland zum Sportfoto des Jahres gewählt - da war Wells gerade 20 Jahre alt.
Man kann sagen: Sebastian Wells ist ein viel beschäftigter Mann. Seit 2019 ist er Mitglied der Fotografenagentur Ostkreuz - ein Gütesiegel. Wo Wells draufsteht, ist Qualität drin. »Man eignet sich Momente an, bei denen man sonst nur zusieht und sie vergehen«, sagte der junge Mann, der in Eichwalde bei Berlin aufwuchs, über seine Arbeit. Mit diesem Selbstverständnis geht er an seine Projekte - ob er nun Spuren des Brexits in einer britischen Kleinstadt sucht, militärische Spezialeinheiten in Jordanien beobachtet, die Proteste in Hongkong begleitet, die Stimmung im Stadion von Union Berlin festhält oder sich den Zuständen in Flüchtlingslagern in Europa, Afrika und dem Nahen Osten nähert. Letzteres war das Thema seiner Abschlussarbeit an der Ostkreuz-Schule.
In diesen Tagen sind Bilder von Sebastian Wells im nd-Gebäude am Berliner Franz-Mehring-Platz zu sehen. Im Foyer gibt es eine kleine, aber feine Ausstellung: »Hinter den Spielen«. Bei mehreren Olympischen Winter- und Sommerspielen war Wells unterwegs. Er macht nicht die klassischen Wettkampfbilder; er sucht ungewöhnliche Blickwinkel und Perspektiven, schaut manchmal nicht in die Sporthalle, sondern ins Treppenhaus, beobachtet seine Berufskollegen und findet eine Bildsprache, in der die Leistungen der Sportler einen überraschenden Ausdruck finden.
Aus Tokio berichtet er nun für mehrere Redaktionen. Teil der Ausstellung im Foyer des nd-Gebäudes ist eine Art Foto-Tagebuch: Jeden Tag kommt eine aktuelle Aufnahme hinzu, ergänzt um einen kurzen Text des Fotografen - ein Gedanke zum Bild, eine kurze Erklärung zu dessen Entstehung. Mal zeigt er eine jordanische Sportfotografin beim Gebet, mal einen Blick in den Massageraum für die Schwimmerinnen und Schwimmer. Atmosphärische Splitter von einem globalen Ereignis. Die täglich fortgesetzte Serie ist auch eine Art Werkstattbesuch bei einem Fotokünstler.
Wells interessieren weniger die strahlenden Sieger, heißt es im Begleittext zur Ausstellung, »als vielmehr die Randfiguren in einem Spiel, dessen Regeln zunehmend angezweifelt werden«. Das betrifft nicht zuletzt Folgen für Umwelt und Infrastruktur, die solche Mega-Events wie Olympische Spiel oder Fußballweltmeisterschaften nach sich ziehen. »Wells Bilder vermitteln eine Ahnung, wie gravierend die Eingriffe in vormals intakte Ökosysteme sind, die im Namen des Sports häufig vorgenommen werden.«
Wenn Sie im nd-Gebäude zu tun haben oder in der Nähe des Ostbahnhofs sind - kommen Sie und schauen Sie sich die Ausstellung an. Sie zeigt eine andere Seite von Olympia als der Großteil der Fernsehberichterstattung.
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