Dänemark droht Klage vor EMGR
Kritik an Einstufung von Damaskus als sicherer Herkunftsort
Die internationale Anwaltskanzlei Guernica 37 mit Sitz in London bereitet sich darauf vor, die Regierung in Kopenhagen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EMGR) in Straßburg zu verklagen. Laut einem Bericht des britischen »Guardian« sehen die Juristen den Versuch der dänischen Behörden, Hunderte Menschen in das Bürgerkriegsland Syrien abzuschieben, als einen »gefährlichen Präzedenzfall« für weitere europäische Länder an. Guernica 37 ist auf Rechtshilfe in Menschenrechtsfragen spezialisiert.
Seit dem vergangenen Jahr haben die dänischen Asylbehörden damit begonnen, Anträge von Asylsuchenden aus Syrien auf Verlängerung ihres befristeten Aufenthaltsstatus abzulehnen. Begründet wird dies damit, dass sich die Sicherheitslage in einigen Landesteilen, insbesondere in und um Syriens Hauptstadt Damaskus, gebessert habe und ein Rückkehrhindernis nicht länger bestehe. Forciert wird diese Linie insbesondere vom Minister für Ausländer- und Integrationsangelegenheiten, Mattias Tesfaye. Der sozialdemokratische Politiker stützt sich dabei auf Berichte der Ausländerbehörde zur Situation in Syrien aus den Jahren 2019 und 2020, denen zufolge sich die Sicherheitslage »erheblich verbessert« hat. Tesfaye betont, dass jeder Fall individuell behandelt werde. Nach Schätzungen droht 500 bis 1200 der 35 000 aus Syrien stammenden Menschen, die derzeit im 5,8 Millionen Einwohner zählenden Dänemark leben, der Entzug ihres Aufenthaltsrechts.
Kritik am Kurs des sozialdemokratischen Minderheitskabinetts von Ministerpräsidentin Mette Frederiksen üben Menschenrechtsorganisationen. Zuletzt hatten Ende Mai in zahlreichen dänischen Städten Protestveranstaltungen gegen den Entzug von Aufenthaltsgenehmigungen und die geplanten Abschiebungen nach Damaskus stattgefunden. Auch mit Frederiksens Tolerierungspartnern im Parlament, der Sozialistischen Volkspartei, der rot-grünen Einheitsliste und der sozialliberalen Radikale Venstre ist die Asylpolitik ein Streitpunkt. Mit ihrer restriktiven Einwanderungspolitik versucht die Regierung seit 2019, Rechtspopulisten Wind aus den Segeln zu nehmen.
Der federführende Anwalt der Kanzlei Guernica 37, Carl Buckley, bezeichnet gegenüber »Guardian« die Anrufung von Straßburg »als einen der möglichen Wege« für Betroffene, die den Rechtsweg in Dänemark ausgeschöpft haben. Angesichts langwieriger Verfahren vor dem EMGR will man zunächst eine Verfügung zur einstweiligen Einstellung von Abschiebungen nach Syrien erreichen.
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