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Metoo-Fall mit politischen Untertönen
Chinas größter Popstar Kris Wu wurde in Peking festgenommen
Ein einfacher Post in den sogenannten sozialen Medien brachte Chinas bislang hochrangigsten #Metoo-Fall ins Rollen: Anfang Juli beschuldigte die 19-jährige Influencerin Du Meizhu den kanadisch-chinesischen Popstar Kris Wu, teils minderjährige Mädchen im Austausch für Jobaussichten zu Sex gedrängt zu haben. Immer mehr junge Frauen erhoben in den folgenden Wochen weitere Anschuldigungen, trotzdem stritt der 30-jährige Wu jegliche Verantwortung ab: »Seid euch sicher: Wenn es so ein Verhalten tatsächlich gegeben hätte, dann würde ich aus eigenen Stücken ins Gefängnis gehen.« Am Wochenende schließlich erledigte das die lokale Polizeibehörde in Peking für ihn: Sie nahm den Sänger in Untersuchungshaft wegen Verdacht auf Vergewaltigung. Im chinesischen Rechtssystem, das eine Verurteilungsrate von weit über 95 Prozent hat, kommt dies fast schon einem Schuldspruch gleich.
Superstar seiner Generation
Bei Kris Wu handelt es sich nicht um einen beliebigen C-Prominenten, sondern um den vielleicht beliebtesten Superstar seiner Generation: Geboren im südchinesischen Guangzhou, emigrierte die alleinerziehende Mutter mit ihrem damals zehnjährigen Sohn nach Vancouver. Die kanadische Stadt gilt als beliebtes Auswanderziel für gut betuchte chinesische Familien, die ihren Kindern eine exzellente Ausbildung ermöglichen und vom Konkurrenzdruck des Heimatlandes fernhalten möchten. Kris Wu verfolgte zunächst seinen Traum einer professionellen Basketballkarriere, doch schon bald funkte die Musikindustrie dazwischen. 2008 nahm er an einem globalen Casting des südkoreanischen Labels SM Entertainment teil, welches ihn nach mehrjähriger Ausbildung in die überaus erfolgreiche Boyband »Exo« steckte. Die K-Pop-Gruppe beruhte auf der Marketingidee, mit zwei »Untereinheiten« einerseits den heimischen Markt in Südkorea, andererseits auch den chinesischen Markt zu bedienen.
Doch der Sänger mit den androgynen Gesichtszügen war trotz der finanziellen Erfolge künstlerisch unzufrieden: »Eines der größten Probleme war, dass die Zeitpläne extrem intensiv waren und ich keine Freiheit hatte«, schilderte Wu in einem Interview. Vor allem konnte er nicht die Musik machen, für die er brannte. Erst als Solokünstler in China erreichte Wu den wirklichen Durchbruch – über mehrere Filmangebote entwickelte er sich zum ernst zu nehmenden Rapper mit eigenständigem Stil.
Parteikader fürchten Metoo-Bewegung
Seit Jahren kursieren bereits auf sozialen Medien explizite Gerüchte um das Playboy-Image des Sängers. Diese sorgten zwar in der nach außen hin konservativen Unterhaltungsindustrie Chinas für moralische Debatten, verletzten jedoch niemals die Grenzen des rechtlich Erlaubten. Bislang reagierten die Behörden bei vergleichbaren Anschuldigungen gegen Prominente stets hochnervös: Junge Frauen, die sich öffentlich zur Wehr setzten, wurden nicht selten vom Zensurapparat mundtot gemacht. Die Parteikader in Peking fürchten vor allem, dass eine #Metoo-Bewegung potenziellen Graswurzel-Aktivismus auslösen könnte.
Das nun harte Vorgehen könnte laut Kritikern auch damit zu tun haben, dass Kris Wu seit seiner Jugend die kanadische Staatsbürgerschaft besitzt. Die offizielle Parteizeitung »Renmin Ribao« kommentierte in einem viel beachteten Leitartikel, dass eine ausländische Staatsbürgerschaft nicht als Talisman vor dem chinesischen Gesetz schütze.
Die jetzige Untersuchungshaft belastet das ohnehin angespannte Verhältnis der zwei Staaten: Seit über zwei Jahren sitzen zudem die zwei Kanadier Michael Spavor und Michael Kovrig in chinesischen Gefängnissen. Ihre Haft wird als »politische Geiseldiplomatie« wahrgenommen, da sie nur kurz nach der Verhaftung der Huawei-Finanzchefin Meng Wanzhou in Vancouver erfolgte. Die USA fordern die Auslieferung der 2018 festgenommenen Meng und beschuldigen sie des Bankbetrugs, zudem geht es um mutmaßliche Verstöße gegen Sanktionen gegen den Iran.
Auf Weibo, dem führenden sozialen Netzwerk des Landes, dominierte der Fall Kris Wu auch am Montag die öffentliche Debatte auf sozialen Medien. Die Verhaftungsnachricht in den sozialen Medien der Pekinger Polizei wurde weit über elf Millionen Mal mit einem »Like« versehen. Fast alle User wünschen Kris Wu eine möglichst lange Haftstrafe: »Guter Fang!«, gratuliert ein Nutzer. »Hau ab aus China«, meint ein anderer. Und: »Wie ironisch, dass der beliebteste Sänger der chinesischen Unterhaltungsindustrie ein Vergewaltiger ist!«
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