Blockade im Bankenviertel

In Frankfurt machten Demonstrierende auf die Rolle des Finanzsektors in der Klimakrise aufmerksam

  • Jonas Wagner, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 4 Min.

»A-Anti-Anticapitalista!« So schallt es am Freitagnachmittag durch die Hochhausschluchten des Frankfurter Bankenviertels. Tausende überwiegend junge Menschen ziehen durch die Innenstadt der Mainmetropole, von mehreren Lautsprecherwagen dröhnen Musik und Redebeiträge. Immer wieder ertönen lautstarke Parolen aus den Reihen der Demonstrierenden, und auch die Ansage auf dem Fronttransparent ist eindeutig: »Our future is not for sale« - unsere Zukunft steht nicht zum Verkauf.

Aufgerufen zu dem bundesweiten »Zentralstreik« an diesem hochsommerlichen Augusttag hatte die Frankfurter Ortsgruppe von Fridays for Future (FFF). Der Protest richte sich »gegen einen Finanzsektor, der Milliarden in Kohle, Öl und Gas investiert«, wie es im Demoaufruf heißt. Auch auf der großen Bühne am Opernplatz, wo vor und nach der Demonstration Kundgebungen und Begleitprogramm laufen, ist die Rolle der Finanzbranche in der Klimakrise das Hauptthema. 100 Institute seien für 71 Prozent des globalen CO2-Ausstoßes verantwortlich, erklärt etwa Winta Berhe von FFF Frankfurt. »Die Erde brennt, die Erde steht unter Wasser, und wir spüren den Klimawandel hautnah.«

So sehen es auch Laura und Annika. Die beiden jungen Frauen sind für die Demonstration spontan aus Wiesbaden angereist. »Man hat halt die Hoffnung, dass irgendwann doch mal was passiert«, erklärt die 20-jährige Annika. Deswegen freue sie sich über die vielen Menschen, die sich inzwischen auf dem Opernplatz und der angrenzenden Kreuzung versammelt haben. Zwar sieht man viele Jugendliche und junge Erwachsene, doch auch ältere Menschen haben sich auf der Kundgebung eingefunden. »Es ist nicht nur die Jugend, sondern auch unsere Generation«, sagt etwa eine Dame mit grauem Pferdeschwanz, die ihren Namen lieber nicht veröffentlicht sehen möchte. Sie findet es wichtig, »etwas zu tun, die Fridays for Future zu unterstützen - und ein Zeichen zu setzen«.

Gegen kurz nach halb fünf setzt sich dann der große Demonstrationszug in Bewegung. Zuvor waren viele Teilnehmer*innen in insgesamt sechs Sternmärschen, ausgehend von verschiedenen Frankfurter Plätzen, zur Alten Oper gekommen, aus dem nahen Offenbach hatte sich eine Fahrraddemo auf den Weg gemacht. Mit vereinten Kräften geht es nun durch das Bankenviertel, bunte Banner und laute Parolen machen auf das Anliegen der Demonstrierenden aufmerksam. Die allermeisten Teilnehmer*innen tragen Masken, die Stimmung ist gut. 15 000 Menschen haben sich laut FFF an diesem Samstag versammelt, die Frankfurter Polizei hingegen will lediglich 4500 Teilnehmer*innen gezählt haben - »in der Spitze«, wie ein Polizeisprecher mitteilt.

Die Demo zieht durch das Bahnhofsviertel, wo viele Passant*innen interessiert das Geschehen beobachten. Anschließend geht es über den Willy-Brandt-Platz zurück ins Bankenviertel, im Schatten der Wolkenkratzer wirken die Parolen nun zunehmend lauter und die Demonstrierenden entschlossener. Auf der Kreuzung Junghofstraße/Neue Mainzer Straße kommt die Demonstration schließlich zum Stehen. Aktivist*innen blockieren sitzend die Kreuzung, vereinzelt werden Rauchtöpfe und Bengalische Feuer gezündet. Demonstrant*innen erklimmen Rohre über der Straße sowie ein Baugerüst am alten Sparkassengebäude und hissen Banner, Sofas und Stühle wandern von einem Sperrmüllhaufen auf die Straße. »Burn banks for future« (»Verbrennt Banken für die Zukunft«) wird später auf einer ansässigen Sparkasse zu lesen sein.

Die Armut des Wohlstandsdiskurses
Lasse Thiele über die soziale Frage in der Klimadebatte

»Wir sind jetzt hier im Bankenviertel angekommen und haben Aktionen zivilen Ungehorsams aufgeführt, wie angekündigt«, erklärt Paul vom FFF-Presseteam. Inzwischen regnet es in Strömen, und während einige Demonstrierende zum Opernplatz weitergezogen sind, haben andere es sich unter Arkadengängen gemütlich gemacht. Aus mehreren Anlagen läuft elektronische Musik, die Stimmung changiert zwischen Demo und Festival.

Kein Klagerecht gegen Klimaschutz!
Der veraltete Energiecharta-Vertrag könnte zur Bremse beim Ausstieg aus fossilen Brennstoffen werden, meinen Anna Cavazzini und Pascal Canfin.

Obwohl Demonstrierende einen langen Abschnitt der Neuen Mainzer Straße für fast zwei Stunden blockieren, bleiben die Ordnungshüter*innen sehr zurückhaltend. An der Polizei sei heute nichts auszusetzen, findet Ulrich Wilken, hessischer Landtagsabgeordneter der Linkspartei. Er ist als parlamentarischer Beobachter dabei und freut sich über die kräftige Demonstration: »Es ist beeindruckend, wie viele Leute da sind.« Kurz darauf löst sich die Blockade auf, die verbliebenen Teilnehmer*innen machen sich als Demo auf den Weg zum Opernplatz.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -