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Strukturelle Hindernisse für den Impferfolg
Laut einer Studie der University of Maryland bedrohen Ungleichheiten den Fortschritt
Viele Industriestaaten haben das gleiche Problem: Trotz Verfügbarkeit von Covid-19-Vakzinen kommen die Impfkampagnen ab einem bestimmten Punkt kaum noch voran. In Deutschland wird daher immer mehr Gruppen, jetzt auch Kindern ab zwölf, ein Angebot gemacht. Wer bisher nicht erreicht wurde und wie die Akzeptanz schwer erreichbarer Gruppen erhöht werden kann, ist hingegen kaum ein Thema. Das liegt auch daran, dass es hierzulande an Daten fehlt. Deshalb hilft ein Blick ins Ausland. In den USA wird seit Langem thematisiert, dass die Impfquoten in ethnischen Gruppen ungleich sind - am höchsten in weißen Bevölkerungsteilen und am niedrigsten trotz häufigerer Covid-19-Fälle bei Schwarzen. Die US-Infektionsschutzbehörde CDC sieht sogar eine »ernste Bedrohung der öffentlichen Gesundheit« durch Rassismus. Im öffentlichen Diskurs wird dies meist mit einem allgemeinen Misstrauen unter Schwarzen gegenüber dem Gesundheitssystem begründet.
Eine gerade im US-Fachblatt »Proceedings of the National Academy of Sciences« erschienene Studie von Wissenschaftlern der University of Maryland widerlegt diese Darstellung. Die Autor*innen werteten darin Impfdaten aus 756 US-Bezirken mit Hilfe von 15 verschiedenen sozialen Determinanten - vom Fahrzeugbesitz über den Internetzugang zu Hause bis hin zum Zugang zu Gesundheitseinrichtungen - aus. Stichtag war der 19. April 2021, als etwa die Hälfte der erwachsenen US-Bevölkerung mindestens eine Impfdosis erhalten hatte.
Die Ergebnisse deuten auf eine zentrale Rolle von sozioökonomischen Privilegien bei der Impfung hin. »Wir stellen fest, dass Disparitäten bei Covid-Impfungen mit dem mittleren Einkommen, der Bildung und der politischen Ideologie verbunden sind«, wie es in der Studie heißt. In Bezirken mit höherem Medianeinkommen und höherer Quote an High-School-Abschlüssen sind die Unterschiede bei den Impfquoten zwischen Weißen und Schwarzen geringer. Die Forscher*innen führen dies darauf zurück, dass die Gesundheitsämter bei der Koordinierung der Impfstoffverteilung bestimmend sind und einkommensstärkeren Bezirken zusätzliche Ressourcen zur Verfügung stehen.
Übrigens ist dies auch bei Influenza-Impfungen der Fall, die in der Studie als Vergleich herangezogen werden. Bei Corona kommt ein neuer Aspekt dazu: die Parteipräferenz. In Bezirken mit hohem Anteil an Wählern der Republikaner sind die Unterschiede zwischen Schwarz und Weiß ebenfalls geringer. Der Grund: Hier lassen sich weniger Weiße impfen. Die Studie führt dies auf »den spaltenden gesellschaftlichen und Social-Media-Diskurs über die Pandemie« zurück.
Wichtigste Schlussfolgerung ist, dass ethnische Minderheiten nicht per se eine geringe Impfbereitschaft aufweisen. Das müsse bei Strategien zu Verteilung und Aufklärungsarbeit berücksichtigt werden. »Was die Impfrate senkt, ist vielleicht auch die Tatsache, dass man sich einen Tag freinehmen muss, um sich impfen zu lassen, oder die fehlende Möglichkeit, sich über Impfstoffe zu informieren«, erläutert Studienleiterin Ritu Argwal, Professorin am Lehrstuhl für Informationssysteme an University of Maryland.
Strukturelle Ungleichheiten stellen eine »ernsthafte Bedrohung« für den Fortschritt bei der Durchsetzung der landesweiten Impfung dar, wie die Autor*innen schreiben. »Wenn diese strukturellen Hindernisse nicht angegangen werden, besteht die doppelte Gefahr, dass weitere Menschenleben verloren gehen und dass die Fortschritte bei der Beendigung der Covid-19-Pandemie oder bei der Bekämpfung ähnlicher künftiger Ausbrüche erheblich verlangsamt werden.«
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